Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/dpa/Hase

Wien - Zum Gegenwind aus den eigenen Regierungsreihen kommt für die deutschen Pläne für eine flächendeckende Pkw-Maut-Vignette für das gesamte Straßennetz in Deutschland nun auch Wind aus Brüssel und Straßburg. "Ausnahmen für Grenzregionen sind Blödsinn", sagt der neue Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europaparlament, Michael Cramer, von den Grünen. "Das ist ein reines Ablenkungsmanöver."

Das vom deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt vorgeschlagene Modell sei "antieuropäisch, unsozial und unökologisch." Deutschen Autofahrern die Kosten über einen Nachlass bei der Kfz-Steuer zurückzuerstatten nennt Cramer "ganz klar diskriminierend".

Grüne für Kostenwahrheit

Grundsätzlich lehnen die Grünen eine Bemautung nicht ab. Im Gegenteil, sie trage zu Kostenwahrheit bei. Allerdings halten sie ein Vignettensystem grundsätzlich für aufwändig und ungerecht, weil durch die Deckelung beim Preis Vielfahrer bevorzugt werden. "Absurd" findet Cramer, dass sich die Berliner Pkw-Mautpläne auf alle Straßen beziehen, während das Lkw-Roadpricing in Deutschland nur für Autobahnen, einige Bundesstraßen und nur für Laster ab zwölf Tonnen gelte. "Wird dieser Dobrindt-Vorschlag Realität, dann würden Lkws zwischen 3,5 und zwölf Tonnen nichts bezahlen, aber alle Pkw-Fahrer." In Österreich ist die Lkw-Maut fahrleistungsabhängig für alle Lkws ab 3,5 Tonnen.

Ein Grund mehr, warum Europaparlamentarier Cramer die deutschen Vignettenpläne für "eigentlich schon tot" und völlig unpraktikabel hält. Wie verkorkst das Vehikel ist, zeigen die mehrfach massiv nach unten revidierten Einnahmenerwartungen: Netto dürfte nicht mehr als eine halbe Milliarde Euro herausschauen - das sind knapp hundert Millionen mehr, als die Asfinag in Österreich mit ihrer Autobahnvignette erlöst. Entspannung bei der Finanzierung der Straßenerhaltung sei davon nicht zu erwarten, sagt Cramer, der die deutschen Pläne als "nationalistische Eigenbrötlerei" geißelt.

Als Alternative schlagen die Grünen eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen vor. Das brächte jährlich 2,3 Milliarden Euro und würde Mautflüchtlinge auf die Autobahn zurückbringen, rechnet Cramer vor.

Mehr Steuer für Diesel

Oder überhaupt die Abschaffung der ohnehin ungerechten Vignette und stattdessen eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Würde man die Mineralölsteuer in Deutschland nur um einen Cent erhöhen würde, brächte das 400 Mio. Euro an Mehreinnahmen rechnet Cramer vor. Das wäre gerechter, weil mehr zahlt, wer mehr fährt und ein verbrauchsintensiveres Fahrzeug fährt.

In diese Kerbe schlägt auch der grüne Verkehrssprecher im österreichischen Nationalrat, Georg Willi, vor. In Österreich müsste die MöSt-Erhöhung drei bis vier Cent betragen. Willi ist zudem der Tanktourismus ein Dorn im Auge, weil er Verkehr nach Österreich lockt und zu Strafzahlungen im Umweltbereich führt. "Wir wollen die Besteuerung von Diesel an jene von Benzin anheben", sagte Willi beim Pressegespräch mit Cramer. Das brächte 500 Mio. Euro an Einnahmen. Den Deutschen würden drei bis vier Cent mehr MöSt sogar 40 Mrd. Euro bringen. (ung, DER STANDARD, 22.7.2014)