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Die traute Zweisamkeit währte nur kurz. Wenige Monate nach der Übernahme entlässt Microsoft jeden zweiten Nokia-Mitarbeiter. Insgesamt fallen 18.000 Stellen dem Sparkurs zum Opfer.

Foto: Reuters

Redmond/Wien - "Willkommen Nokia. Übernahme perfekt." So frohlockte die PR-Maschinerie des US-Software-Riesen Microsoft noch im April dieses Jahres. Um 7,2 Milliarden Dollar (5,4 Mrd. Euro) hatte das US-Unternehmen das Kerngeschäft des Handykonzerns Nokia übernommen. Man werde 25.000 "branchenerfahrene Mitarbeiter von Nokia" willkommen heißen. Doch nur drei Monate später ist von der einladenden Stimmung nichts geblieben. 18.000 Mitarbeiter baut Microsoft wie berichtet ab, ein Gros - nämlich 12.500 - bei den zugekauften Nokia-Sparten. Damit werden 14 Prozent der beim Software-Riesen Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren.

Dass dabei jeder zweite Nokianer fliegt, der noch vor wenigen Monaten mit übernommen wurde, stößt vor allem in Finnland bitter auf. Mehr als 1100 Mitarbeiter sollen dort abgebaut werden. Das Forschungszentrum im nördlichen Oulu wird etwa komplett geschlossen, die übrigen Standorte schrumpfen. Antti Rinne, sozialdemokratischer Finanzminister in der finnischen Regierung, fand harsche Worte für die Jobkürzungen: "Man kann wohl sagen, dass wir verraten wurden." Bei der Übernahme habe Microsoft angekündigt, sich Finnland gegenüber verpflichtet zu fühlen.

Vereinbarungen

Finanzminister Rinne verlangt von Microsoft zudem, dass sich der Konzern an im September 2013 geschlossene Vereinbarungen halten solle. Damals kündigte Microsoft an, 250 Millionen Euro in ein finnisches Data Center zu investieren. Die Aufregung ist umso höher, weil Microsoft zumindest an den Finanzmärkten eigentlich reüssiert. Der Aktienkurs ist auf dem höchsten Stand seit vielen Jahren, das Unternehmen wird von den Börsianern sehr positiv eingeschätzt.

In Helsinki hingegen wird das Problem der Arbeitslosigkeit weiter verschärft. 10,7 Prozent sind laut finnischer Statistikbehörde ohne Job. Mehr noch, das Land befindet sich im dritten Jahr einer Rezession, also einer Schrumpfung der Wirtschaft. Wirtschaftsforscher gehen daher von einer weiter steigenden Arbeitslosenrate aus, selbst wenn die EU wie versprochen wegen der Nokia-Jobverluste Unterstützung aus dem Sozialfonds in Aussicht stellt.

Der Microsoft-Sparkurs verschärft ein weiteres Problem. Die Wertschöpfung der finnischen Industrie ist seit Ausbruch der Krise um 25 Prozent gefallen. Neben dem Niedergang Nokias im Wettbewerb mit Herstellern wie Apple und Samsung ist vor allem der Druck auf die Papierindustrie im Zuge der Digitalisierung dafür verantwortlich.

Ende von Nokia X

Die Rolle von Nokia im Microsoft-Konzern wird daher künftig eine deutlich kleinere sein als zunächst angenommen. So wird die Smartphone-Reihe Nokia X eingestellt. Die bestehenden Geräte sollen zwar weiter verkauft werden, erklärte Microsoft-Gerätechef Stephen Elop in einer Nachricht an Mitarbeiter. Doch der vor der Übernahme im Dienste von Nokia stehende Spitzenmanager will keine neuen Handys der Reihe mehr auf den Markt bringen.

Nokia X passt Microsoft nicht mehr in die Strategie. Die Geräte laufen auf Basis von Googles Betriebssystems Android, allerdings in einer eigenen Variante ohne Dienste des US-Internetkonzerns. Die meisten Nokia-Geräte, wie die Lumia-Reihe, benutzen dagegen schon seit Jahren das Microsoft-System Windows Phone. "Microsoft wird alle Ressourcen nun auf Lumia fokussieren", schließt Gartner-Analystin Annette Zimmermann aus den Maßnahmen. (sulu, DER STANDARD, 19.7.2014)