Foto: Andy Urban

Tatortreinigerin Rosalia Zelenka plädiert für ein generelles Waffenverbot in Österreich: "Die Menschen sind zu labil, um berechtigt Waffen tragen zu dürfen."

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STANDARD: Tatorte, Leichenfunde - Ihre Arbeit beginnt stets, wenn schon alles zu spät ist. Macht so ein Job eigentlich Spaß?

Zelenka: Durchaus. Ich mag gerne eine saubere, hygienische Umgebung. Und ich liebe es, die Ordnung wiederherzustellen. An meinen Einsatzorten herrscht ja ein unglaubliches Chaos. Ob Mord, Suizid oder Unfall - es ist ein Ausnahmezustand. Und ich sorge wieder für Normalität.

STANDARD: Dennoch haben Sie tagtäglich den Tod vor Augen, wie geht man damit um?

Zelenka: Es wird sicher nie ein normaler Job sein. Aber Erfahrung und Routine bringen es mit sich, dass man sich entsprechend abgrenzen kann. Was nicht immer gelingt. Dann hilft ein gutes Bad mit wohlriechenden ätherischen Ölen am Abend oder ein Glas Wein mit einer Freundin.

STANDARD: Wie läuft so ein Auftrag ab, bekommen Sie Vorinformationen, was Sie beim Öffnen der Wohnungstür erwartet?

Zelenka: Die Beauftragung erfolgt meist über Hausverwaltungen, Privatpersonen oder auch Notare. Einen groben Überblick, was mich erwartet, kann ich mir durch meine Erfahrung schaffen. Wenn etwa eine schwere Handfeuerwaffe im Spiel gewesen ist, muss man davon ausgehen, dass die Gewebereste im ganzen Raum verteilt sind. Es hängt natürlich davon ab, ob die Person gesessen oder gelegen ist. Im Liegen rinnt zum Beispiel mehr Leichenflüssigkeit aus. Auf den Leichnam treffe ich aber nicht mehr. Im härtesten Fall sehe ich vielleicht einen Kiefer, der liegengeblieben ist. Oder Zähne.

STANDARD: Machen Sie sich manchmal Gedanken über das Schicksal des Menschen, dessen sterblichen Reste Sie gerade von Boden und Wand kratzen?

Zelenka: Natürlich gibt es Momente, die berühren. Manchmal findet man Briefe, Gedichte, Fotos. Und man stellt sich die Frage: Welche Verzweiflung muss diesen Menschen getrieben haben?

STANDARD: Ihr Buch trägt den Titel "Der Tod hat viele Gerüche". Sie müssen es wissen, wie riecht nun der Tod?

Zelenka: Man kann es schwer beschreiben. Der Tod riecht immer anders. Ist der Verwesungsprozess weit fortgeschritten, oder ist es frisches Blut. Manchmal süß, manchmal metallisch, dazu ein Eigengeruch des Menschen.

STANDARD: Ekelt es Sie noch manchmal?

Zelenka: Nein, ich bin da sehr hart im Nehmen. Obwohl: Ich habe durchaus eine sehr feine Nase - Leichengeruch stört mich nicht, eher Zigaretten. Also diesen Tschickgeruch muss ich wirklich nicht haben.

STANDARD: Sehen Sie sich noch als klassische Gebäudereinigerin?

Zelenka: Der Zugang ist zu banal. In meinem Job geht es um die Spezialisierung. Da gehört viel Fachwissen dazu. Mit einem Büroputz lässt sich das nicht vergleichen.

STANDARD: Sie sind die einzige Frau in Österreich in einem Job, der wahrscheinlich die härtesten Männer umhaut. Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Zelenka: Nach Jahren im Reinigungsgewerbe habe ich eine neue Herausforderung gesucht. Und die Tatortreinigung hat mich fasziniert. Es ist eine Arbeit mit so vielen Facetten.

STANDARD: Hat Ihr Beruf Sie eigentlich verändert?

Zelenka: Der Tod war für mich früher immer schrecklich. Durch meinen Beruf bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass der Tod nicht das Furchtbare ist. Es ist die Angst davor, dass wir liebe Menschen zurücklassen müssen. Sterben tun wir alle gleich, die Menschen unterscheidet das Leben. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 19.7.2014)