Wien - Unter dem Titel "Animals and Humans Together: Integration in Society" tauschen sich ab Samstag etwa 250 führende Anthrozoologen über neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mensch-Tier-Beziehungen aus. Erstmals findet die Weltversammlung in Wien statt. Nicht nur in Österreich sei viel Bewegung in das Forschungsgebiet gekommen, erklärte der Verhaltensforscher und Mitorganisator Kurt Kotrschal.

Neuerwachtes Interesse

Trotz der Tatsache, dass es sich bei der Veranstaltung bereits um die 23. internationale Konferenz der Gesellschaft für Anthrozoologie (International Society for Anthrozoology, ISAZ) handelt, sei "das Feld jetzt fast 30 Jahre vor sich hingedümpelt. Jetzt ist aber gerade dabei, zu explodieren", zeigt sich Kotrschal erfreut. Kamen früher die meisten Fördermittel von einem Futtermittelhersteller, seien bei vielen aktuellen Projekten nun auch größere Forschungsförderungsinstitutionen mit an Bord, so der Forscher, der mit der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal (OÖ) und dem "Wolfsforschungszentrum" in Ernstbrunn (NÖ) zwei attraktive heimische verhaltensbiologische Einrichtungen aus- und aufgebaut hat.

Ein Auslöser dieser Entwicklung sei die zunehmende Erkenntnis, dass das Aufwachsen mit Tieren "ganz offensichtliche Vorteile für die Entwicklung von Kindern hat". Auch die gesamtgesellschaftlich positiven Effekte des Zusammenlebens mit Tieren und die wiederkehrende Erkenntnis, dass die rasante Entwicklung der Menschheit ohne dieses Zusammenleben undenkbar ist, tragen das ihre dazu bei, dass das Gebiet auch an Universitäten als "erstzunehmender Wissenschaftsbereich" angesehen werde.

Etwa 80 Prozent der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet finde zwar in den USA statt, dort gibt es etwa bereits mehrere universitäre Master-Lehrgänge. "In Europa spielt es sich aber auch entsprechend ab", so Kotrschal. In Europa stehe der Lehrgang am Messerli Forschungsinstitut an der Veterinärmedizinischen (Vetmed) Universität Wien allerdings vorerst noch alleine da.

Heimische Forschung

Wien sei insgesamt ein "Hotspot" der Anthrozoologie: Kotrschal und seine Kollegen von der Forschungsgruppe Mensch-Tier-Beziehung an der Universität Wien arbeiten beispielsweise bereits seit Jahren an der Analyse des Bindungsverhaltens zwischen Mensch und Hund. "Wir sind wirklich an dieser Beziehungskiste interessiert", so der Autor mehrerer erfolgreicher Bücher auf diesem Gebiet.

In einem aktuellen angewandten Forschungsprojekt habe sich auch gezeigt, dass die Anwesenheit eines "Schulpräsenzhundes" Kindern mit geringer Lesekompetenz helfen kann. Österreich sei hier führend und das einzige Land, wo es wissenschaftlich fundierte Richtlinien für den Einsatz von Hunden in Schulklassen gebe.

Breite Themenpalette

Tiergestützte Aktivitäten aller Art sowie Einstellungen zu Tieren und Befunde zum Tierschutz werden auf dem Kongress auch breit diskutiert. Zudem wird es etwa um eine Untersuchung gehen, in der getestet wurde, wie gut Kinder und Erwachsene Gesichtsausdrücke von Hunden deuten können. Kotrschal: "Man ist zum Teil erschüttert, wie stark das fehlinterpretiert wird." So wird Zähnefletschen als Lächeln verstanden.

Ein Highlight könnte der Vortrag von Rob Knight, Molekular-Biophysiker an der University of Colorado (USA), werden. Er hat Hinweise gefunden, dass sich die Ausformungen der Mikrofauna und -flora beim Menschen durch das Zusammenleben mit Tieren verändert. Das könnte eine Erklärung dafür sein, warum Menschen mit Kontakt zu Tieren statistisch gesehen länger und gesünder leben, meint Kotrschal. (APA/red, derStandard.at, 17. 7. 2014)