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Nach einem schweren Unfall in der Moskauer Metro gibt es mindestens zehn Tote und mehr als 100 Verletzte.

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Drei Wagen sind in einem Tunnel entgleist.

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Es ist 8.39 Uhr in Moskau, Hauptverkehrszeit. Alle zwei Minuten kommen Züge an den Metrostationen an und fahren wieder ab, vollgepackt mit Passagieren, die so dicht gedrängt stehen, dass kaum Platz zum Atmen bleibt. "Ich war im zweiten Wagon. Ich bin eingestiegen, und nach 15 bis 20 Sekunden kam eine jähe Vollbremsung, das Licht ging aus. Der Zug entgleiste, und ich wurde heftig hochgeschleudert", beschreibt ein Augenzeuge im russischen Staatsfernsehen, was dann geschah.

Bei einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h sprang der Zug aus den Gleisen und verkeilte sich regelrecht im U-Bahn-Tunnel zwischen den Stationen Park Pobedy und Slawjanski Boulevard. Besonders hart traf es den ersten Wagon. Stundenlang waren die Rettungskräfte damit beschäftigt, die Insassen aus den Stahltrümmern zu bergen. Mit jeder Stunde stieg die Zahl der gemeldeten Toten und Verletzten.

Mehr Todesopfer befürchtet

21 Menschen seien gestorben, mehr als 160 verletzt worden, teilte am Abend der Leiter des nationalen Krisenstabs beim Katastrophenschutz, Viktor Jazuzenko, mit. Das sind wohl noch nicht die endgültigen Opferzahlen. Zwar wurden 1150 Menschen inzwischen aus den Tunneln geführt, möglicherweise sind unter den Trümmern aber noch mehr Opfer. Von den 129 Passagieren, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, sind zudem 42 schwer verletzt. Ein nicht genannter Mitarbeiter des Katastrophenschutzes schätzte, dass die Anzahl der Todesopfer auf bis zu 30 ansteigen könne. Kinder sollen nicht zu Schaden gekommen sein.

Sobjanin droht Entlassung an

Bürgermeister Sergej Sobjanin versprach den Opfern am Unglücksort Entschädigung und eine schnelle Aufklärung der Katastrophe. Zudem drohte er Konsequenzen an. Die Schuldigen würden bestraft. Es werde Entlassungen geben, sagte er. Die Ermittlungsbehörden haben bereits Untersuchungen eingeleitet. Ein Anschlag wie 2010, als zwei Selbstmordattentäterinnen Bomben in der Moskauer Metro zündeten, wird aber ausgeschlossen. Die Strafermittlungen laufen wegen Verstoßes gegen Sicherheitsbestimmungen und fahrlässiger Tötung.

Als Unfallursachen werden derzeit ein Weichenfehler, ein defektes Wagongestell oder das Einsacken der Schienen untersucht. Der zunächst geäußerte Verdacht eines Spannungsabfalls im Stromnetz, der zur Notbremsung geführt haben soll, bestätigte sich hingegen nicht.

Volkstrauer

Die Stadt Moskau hat wegen der vielen Opfer den Mittwoch zu einem Trauertag erklärt. Es ist das schwerste technische Unglück in der 79-jährigen Geschichte der Moskauer Metro. Die Strecke ist dabei eine der jüngsten, es handelt sich um die Verlängerung einer ursprünglich noch unter Stalin fertiggestellten Metrolinie. Ziel war es, den Verkehr im Nordwesten Moskaus zu entlasten. Die Station Slawjanski Boulevard wurde erst Ende 2008 eingeweiht.

Der Teilausfall der Metro - mit täglich neun Millionen Passagieren wichtigstes Verkehrsmittel in Moskau - hat auch oberhalb der Erde ein Chaos hervorgerufen. Die Einfallstraße Kutusowski Prospekt, auf der auch Präsident Wladimir Putin und Premier Dmitri Medwedew ins Zentrum fahren, stand stundenlang völlig still.

Ärger über Taxler

Für Ärger sorgten zudem einige Taxifahrer: Während Freiwillige gestrandete Metro-Passagiere kostenlos mitnahmen, nutzten einige Taxifahrer die Gunst der Stunde, um abzukassieren, und forderten das Fünffache des üblichen Tarifs.

Die Verkehrsbehinderungen werden noch einige Zeit anhalten. Nach Angaben wird es zwei Tage dauern, ehe die Schäden in der Metro beseitigt sind. So lange ist das Teilstück der U-Bahn für den Verkehr gesperrt. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 16.7.2014)