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SPÖ-Justizsprecher Jarolim: "In einigen Behörden herrscht noch das Denken vor, dass das Wahrnehmen demokratischer Rechte etwas Anstößiges ist."

Foto: APA/Fohringer

Wien - Seit fünfeinhalb Monaten sitzt Josef S. aus Jena nun schon in Wien in U-Haft: Er ist angeklagt wegen Landfriedensbruchs als führender Beteiligter, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung. Laut Ankläger Hans-Peter Kronawetter sei der 23-jährige Student einer jener "Rädelsführer" des antifaschistischen "Schwarzen Blocks", die am Tag des rechten Akademikerballs aufseiten der Gegendemonstranten für Randale in der Wiener Innenstadt sorgten.

Josef S. sagte beim Prozessstart Anfang Juni dagegen, er komme nun einmal aus "einer Gegend, wo es zum guten Ton gehört, sich an Demonstrationen gegen die zu beteiligen, die Andersdenkende diskriminieren".

Handyaufnahme als Beweisstück

Kronawetter nannte ihn dagegen einen "Manifestanten" und "Demonstrantensöldner". Ein Polizist in Zivil, der Josef S. dabei gesehen haben will, wie er andere vermummte Demonstranten zum Steinewerfen und Fensterscheibenzerstören angestachelt haben soll, zeigte am ersten Prozesstag eine (Audio-)Handyaufnahme, welche die Stimme des Angeklagten wiedergeben sollte.

Allein - es war nicht die Stimme von Josef S., das besagte eine Stimmanalyse, die auf Antrag der Verteidigung gemacht wurde. Mehr Beweise gab es bis dato nicht - dennoch sprach Richter Thomas Spreitzer am Ende des Verhandlungstags davon, dass sich der Verdacht gegen S. erhärtet habe. Josef S. wurde wieder abgeführt.

Für SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ist dieses Vorgehen der Justiz "unerträglich": "Die Polizei wurde für ihr überschießendes Vorgehen gegen die antifaschistischen Demonstranten kritisiert - und die Justiz hilft ihr jetzt dabei, das zu kompensieren." Er habe grundsätzlich kein Verständnis für Gewaltausbrüche bei Demonstrationen, aber: Es scheine, mit Josef S. habe man hier einen "willkommenen Anlass" gefunden - ohne freilich entsprechende Beweise gegen ihn zu haben. Jarolim ereifert sich, dass der deutsche Student überhaupt noch in Haft ist: "Ihm wird Tatbegehungsgefahr vorgeworfen, das ist doch Blödsinn."

"Anstößige" demokratische Rechte

Der SPÖ-Sprecher kritisiert, dass in den Reihen von Justiz und Polizei "offenbar noch immer das Metternich'sche System herumspukt". Jarolim: "Offenbar gibt es zu wenig Verständnis dafür, dass Bürger das Recht haben, gegen rechtsextreme Tendenzen friedlich zu demonstrieren." Die Betonung liege auf "friedlich", sagt Jarolim: "In einigen Behörden herrscht noch das Denken vor, dass das Wahrnehmen demokratischer Rechte etwas Anstößiges ist."

Vergangene Woche hatte sich bereits wie berichtet die SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger mit Josef S. solidarisiert.

In dieses Bild passe im Übrigen auch der "unsägliche Tierschützerprozess", sagt Jarolim, für den die Rolle der Wiener Neustädter Staatsanwaltschaft noch immer nicht "hinreichend geklärt" sei: "Hier wurden Existenzen vernichtet. Wir werden im Parlament sehr genau darauf achten, ob und wie die Betroffenen entsprechend entschädigt werden."

Der Prozess gegen Josef S. wird am 21. Juli fortgesetzt. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 14.7.2014)