Hausbootfahren ist eine ganz besondere Art des Urlaubs. Was man dafür nebst angenehmen Reisebegleitern benötigt, ist ein so interessantes Reiseziel wie etwa die riesige, eine Autostunde nördlich von Amsterdam gelegene friesische Seenplatte.

Dreißig Seen mit unzähligen Kreuz-und-quer-Verbindungen an Wasserstraßen umfasst das in der Provinz Nordholland gelegene (West-)Friesland, das von einer zunehmend selbstbewussten, sehr auf seine Eigenheiten bedachten Einwohnerschaft besiedelt ist (sagen Sie niemals einem Friesen, Friesisch sei ein niederländischer Dialekt!).

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Start der Bootsreise: Woudsend


Wer in diesem Hausboot-Eldorado unterwegs ist, bekommt einen plastischen Eindruck davon, was es bedeutet, in einem Land zu leben, das so nahe am Wasser gebaut hat wie Holland. All die Kanäle und gefinkelten Schleusen- und Hebebrückensysteme legen Zeugnis vom mühsamen Kampf der Menschen ab, dem Meer bewohnbares Land abzutrotzen.

Elegantes Manövrieren

Wir begannen unsere Bootsreise im Ort Woudsend, wo wir von "Le Boat" über die Handhabung des knapp 13 Meter langen Schiffes instruiert wurden: Es war mit vier separaten Kabinen mit Dusche ausgestattet, einem Gemeinschaftsraum und einem Oberdeck, auf dem jeder Sonnenanbeter auf seine Rechnung kommt und von dem aus sich die beruhigende friesische Landschaft - Wiesen, Weiden, Wasserstraßen und gelegentlich auch die eine oder andere fesche Windmühle - komfortabel per 360-Grad-Panoramablick überblicken lässt. Es gibt noch ein Dutzend andere Schiffstypen, die "Le Boat" in seinem Angebot hat; auf dem größten finden bis zu zwölf Reisende Platz.

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Vom Oberdeck aus kann man das Schiff steuern, und sollte die Witterung einmal nicht mitspielen, kann man problemlos auf das Zweitsteuer im Schiffsinneren ausweichen. Ein Bootsführerschein ist nicht vonnöten, und es dauert nicht allzu lange, bis man die Grundlagen des halbwegs eleganten Manövrierens begriffen hat. Bootfahren ist sehr entspannend und populär in den Niederlanden.

Gelegentlich muss ein Brücken-Obolus entrichtet werden

Will man sich keinen Ruf als ausländischer Bootshooligan einhandeln, so empfiehlt es sich, in manierlich gedrosseltem Tempo (keinesfalls mit der Spitzengeschwindigkeit von acht km/h dahinbrettern!) und in schicklichem Respektabstand von den Mitfahrenden auf den Kanälen dahinzufahren. Gelegentlich muss die Fahrt unterbrochen werden, um einem Brückenwärter den Obolus zu entrichten, den dieser stilvoll mit einem an einer Angel befestigten Holzschuh einhebt. Oder man muss sich überhaupt selber händisch ans Werk machen, um eine Brückensperre zu überwinden.

Subtiler Mühlenkosmos

Ein jedem Individualisten willkommenes Feature einer Hausbootreise: Man kann sich seine Landurlaube ganz nach Gutdünken einteilen und den Fuß (oder auch die Reifen des vom Boot aus mitgebrachten Fahrrads) dort auf festen Boden setzen, wo besonders attraktive Attraktionen locken. In der Kirche des Ortes Wiuwert gibt es beispielsweise eine Krypta zu besichtigen, in der vier mumifizierte menschliche Leichname (sowie jener einer Katze) liegen - warum sie sich über die Jahrhunderte hinweg so gut erhalten haben, weiß niemand. Spektakulär ist der Anblick allemal.

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Die Windmühle Le Rat in der Stadt Ijlst

Empfehlenswert ist auch ein Besuch der Windmühle Le Rat in der Stadt Ijlst, der ältesten, aus dem frühen 18. Jahrhundert stammenden und immer noch in Betrieb befindlichen Windmühle in den Niederlanden.

Simon Jellema, der drahtige Müller mit seinem imposanten Schnauzbart, gibt den Besuchern einen lebendigen Eindruck davon, was für ein hochgradig subtiler Minikosmos eine solche Mühle ist und wie vieler ausgefuchster Techniken es bedurfte, um sie über eine so lange Zeit hinweg am Leben zu erhalten. (Christoph Winder, Album, DER STANDARD, 12.07.2014)