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Ilan Baruch

Foto: EPA/JIM HOLLANDER

Wien - Es gebe kein israelisches Interesse daran, den Konflikt mit dem Gazastreifen bis zum Einmarsch von Bodentruppen zu eskalieren, sagt der frühere israelische Diplomat Ilan Baruch im Gespräch mit dem STANDARD. Der Druck auf die Regierung werde jedoch gewaltig steigen, wenn eine Rakete der radikalen Palästinenser einen signifikanten Treffer erziele. "Wenn das mächtige Israel getroffen wird, was wird es tun? Das kann die Regierung stürzen."

Baruch weist auf die offensichtliche Vergeblichkeit der früheren Gaza-Operationen hin: Sie hätten die Hamas und die anderen Gruppen nicht daran gehindert, ihre Kapazität wieder auf- und auszubauen. Der Geheimdienst habe offenbar Schwierigkeiten, die Lager im Gazastreifen zu lokalisieren. Die Hamas sei auf dem Weg dorthin, wo die Hisbollah schon ist - die Raketenkapazität habe das Verhältnis zwischen Israel und der Hisbollah verändert.

Die Angst davor habe auch die politische Annäherung zwischen Hamas und Fatah für die Regierung von Benjamin Netanjahu so unangenehm gemacht: weil sich damit zur politischen Option, vertreten von Mahmud Abbas, eine militärische gesellen würde.

Baruch selbst, der den diplomatischen Dienst 2011 aus Protest gegen die israelische Regierungspolitik quittiert hat - die seiner Meinung nach nicht die Zweistaatenlösung mit den Palästinensern verfolgt -, glaubt nur an eine politische Lösung: "Wir hätten zulassen sollen, dass sich das entwickelt", sagt er, zum Entschluss der Hamas befragt, eine Einheitsregierung mit der Fatah zu unterstützen - und zur Entscheidung der USA, die Zusammenarbeit mit der Palästinenserbehörde deswegen nicht einzustellen.

Obwohl man davon ausgehe, dass der Mord an drei Jugendlichen in Hebron nicht von der Hamas geplant worden sei und dass die Hamas nicht die volle Kontrolle über alle radikalen Gruppen ausübe, mache Premier Benjamin Netanjahu sie allein verantwortlich, weil das seinen politischen Bedürfnissen entspreche.

Baruch ist Berater der Vorsitzenden der Meretz-Partei, Zehava Gal-On, und Friedensaktivist. In Österreich war er zu Gast beim Projekt "Peacecamp", das israelische (jüdische und arabische), österreichische und ungarische Jugendliche zusammenbringt.

Der Exdiplomat plädiert für Unterstützung für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der die Entführung der drei später ermordeten israelischen Buben lautstark verurteilt hatte. Er werde gebraucht, um die Stabilität zu sichern, die seine eventuellen Nachfolger bräuchten, um seinen Weg weiterzugehen. Auf der israelischen Seite sieht er jedoch momentan nicht den politischen Willen, und er zweifelt auch daran, dass US-Präsident Barack Obama nach den Midterm-Wahlen den Faden wieder aufgreift. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 11.7.2014)