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Gelegentlich ist Alejandro Sabella auch ein Mann der großen Gesten.

Foto: Reuters/Paulo Whitaker

Lavezzi vs. Sabella.

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São Paulo - Wer an Argentiniens aktuelles Nationalteam denkt, der denkt zuallererst an Lionel Messi, dann an Lionel Messi, dann an Lionel Messi, dann vielleicht noch an Ángel di María oder Gonzalo Higuaín. Eher weniger an Alejandro Sabella. Seit drei Jahren ist er nun Coach der Albiceleste. Brasiliens Luiz Felipe Scolari, Deutschlands Joachim Löw, Niederlandes Louis van Gaal - sie alle werden als Trainer ihrer Teams viel deutlicher wahrgenommen.

Dabei ist Sabella ein Fachmann, ein unterschätzter. Er spricht leise, versprüht wenig Autorität. Sabella, 59, gewann in seiner ersten Trainersaison 2009 - mit Estudiantes de la Plata - gleich die Copa Libertadores, das Gegenstück zur europäischen Champions League. Und als Nationaltrainer führte er Argentinien nun erstmals seit 1990 ins Halbfinale.

Kein Medienliebling

Das Verhältnis zu den Medien ist beidseitig keine Liebesbeziehung. "Wenn du nicht selbstkritisch bist, sagen alle, du seist stur. Und wenn du selbstkritisch bist, sagen sie, du seist schwach", sagte Sabella kürzlich.

Carlos Bilardo, Coach beim WM-Triumph 1986, war Sabellas größter Förderer. Unter dem zweimaligen Weltmeister Daniel Passarella war er 18 Jahre lang treuer Assistent, unter anderem bei der argentinischen und uruguayischen Nationalmannschaft, dem FC Parma und den Großklubs River Plate aus Buenos Aires und Corinthians São Paulo.

Passarella vermittelte als vertrauter Zögling des 1978er-Weltmeistertrainers César Luis Menotti dessen Lehre. Sabella versucht seitdem, das offensiv-schöngeistige "Menottismo" und das defensive "Bilardismo" zu verbinden. Menotti freilich nimmt Sabella nicht ernst und erklärte nach dessen Amtsantritt: "Ich weiß nicht, was seine Verdienste und was seine Philosophie sein sollen. Ich mag nicht, wie seine Teams spielen."

Hohn und Spott

Auch sonst ist "Alex" Sabella oft Ziel von Hohn oder Spott - oder Mittelpunkt ungünstiger Aktionen. Beim Vorrundenspiel gegen Nigeria (3:2) bespritzte ihn Stürmer Ezequiel Lavezzi mit Wasser. Sabella trug es mit Fassung. Beim Achtelfinale gegen Belgien ließ er sich nach einer vergebenen Chance zurückfallen, verlor das Gleichgewicht und torkelte in Richtung Bank, wo er von einem Betreuer aufgefangen werden musste.

Doch der Erfolg gibt ihm recht, und langsam aber sicher erkennen das auch seine Kritiker an. "Der Trainer wird oft unterschätzt. Aber er hat die richtigen Entscheidungen getroffen", schrieb die Zeitung La Nación.

Argentiniens Ikone Diego Maradona nörgelt derweil immer noch, dass Sabella das Spiel nicht genug auf Messi abstimme. Das Spiel der Sabella-Truppe sei "müde und vorhersehbar", sagte Maradona nach dem knappen Achtelfinalerfolg über die Schweiz (1:0 nach Verlängerung). Dabei hatte der Coach für den viermaligen Weltfußballer sogar seinen eigenen Grundsatz über den Haufen geworfen, nach dem der Star die Mannschaft ist. "Wir müssen so spielen, dass Messi sich wohlfühlt", sagt er jetzt.

Wenn die Argentinier bisher auch spielerisch nicht restlos überzeugt haben, der Halbfinaleinzug gibt Sabella recht. Und spätestens mit dem dritten WM-Titel wären dann wohl auch Menotti und Maradona überzeugt. (sid/red, derStandard.at, 8.7.2014)