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Angela Merkels Erinnerung an den deutsch-chinesischen Dialog zum Thema Menschenrechte trübte die gute Stimmung mit Premier Li Keqiang kaum.

Foto: EPA / Andy Wong

Es gibt politische Landkarten in China, an denen sich farblich ablesen lässt, wie eng die Beziehungen zu anderen Staaten sind. Auf einer davon ist die Bundesrepublik Deutschland der einzige Staat, der olivgrün eingezeichnet ist. Diese Farbe weist den zweithöchsten Rang zu. Peking spricht von "umfassenden strategischen Partnerbeziehungen" zu Berlin. Das beiderseitige Verhältnis sei von Staatschef Xi Jinping Ende März bei seinem Deutschland-Besuch aufgewertet worden.

Das sind nicht nur Worthülsen: Bundeskanzlerin Angela Merkel merkte schon atmosphärisch bei ihrem siebenten Regierungsbesuch, wie sie protokollarisch aufgewertet wurde. Premier Li Keqiang und Staatschef Xi gaben je einen eigenen Bankettempfang. Peking hisste deutsche Fahnen vor dem Tiananmen-Tor, ließ mit militärischen Ehren 19-mal Salut schießen. Zu Beginn der Gespräche scherzte Premier Li, er habe Merkel bei der letzten Bundestagswahl "die Daumen gedrückt". Er wünsche Deutschland auch den Sieg bei der Fußball-WM.

Komplizierte Beziehungen

Doch es geht nicht nur um Deutschland. Die neue politische Kategorisierung, in welchem Verhältnis China zu anderen Staaten steht, zeigt auch, wie die aufstrebende Weltmacht ihre Außenbeziehungen neu ordnet. Nach der Auflösung des "Ostblocks" und der Sowjetunion verschwanden überholte Begriffe aus dem Kalten Krieg wie sozialistische Bruderstaaten oder Verbündete und wurden von der Idee von Partnerschaften ersetzt.

Auch Peking führte nach 1994 diese Idee in die Gestaltung seiner Außenbeziehungen ein, sagte Politikforscher Wang Qiaorong vom Forschungsinstitut für Gegenwartspolitik der Beijing News. Chinas Politik unterteilte sie von "kooperativen Partnerbeziehungen" bis zu alle Bereiche erfassenden strategischen Beziehungen. Trotz aller Rivalitäten vereinbarte Peking auch mit Washington "konstruktive Partnerbeziehungen". Jüngst ließ Staatschef Xi das komplizierte, von Misstrauen geprägte Verhältnis mit den USA zu "neuartigen Beziehungen zwischen zwei Großmächten" aufwerten.

Kein Kommentar zu Menschenrechten

Wie Politikforscher Wang in einem Aufsatz auf der Website seines Instituts schrieb, soll die neue Klassifizierung Chinas offensiver Außenpolitik zu mehr Flexibilität verhelfen: "Partner bedeutet, kenntlich zu machen, dass man sich nicht feindlich gegenübersteht und nach Gemeinsamkeiten sucht." Jüngstes Beispiel ist die Werbetour von Staatschef Xi Anfang Juli in Südkorea, bisher enger Partner der USA. Diese war so erfolgreich, dass Peking und Seoul ihre Partnerschaft zur "umfassenden strategischen kooperativen Beziehungen" aufwerteten.

Seit Beginn der "neuartigen Beziehungen" zwischen China und Deutschland 2004 treffen sich beide Regierungen bald schon zum dritten Mal zu gemeinsamen Kabinettssitzungen. Merkel lobte am Montag die breitgefächerte Partnerschaft mit 70 ständigen Dialog- und Kooperationsforen zwischen beiden Ländern. Aber sie erinnerte Premier Li auch daran, dass es darunter zwei institutionali- sierte Gesprächsrunden gebe, den Menschenrechts- und den Rechtsstaatsdialog. Sie hoffe, dass diese Dialoge vor der nächsten gemeinsamen Kabinettsrunde stattfinden könnten - eine Forderung, zu der der chinesische Premier schwieg.

In China äußerte sich Merkel auch zu den Untersuchungen über US-Spionage im deutschen NSA-Ausschuss. Die Vorwürfe seien "sehr ernst" und stünden "in Widerspruch" zu dem, was sie sich von Partnern erwarte. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 8.7.2014)