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Von der Vergangenheit eingeholt: Ex-ÖBB-Manager Poschalko.

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Wien - Die Anklageschrift ist zwar noch nicht rechtskräftig, so gut wie fest steht aber, dass der Prozess in der Untreue-Causa MávCargo nicht im Wiener Straflandesgericht stattfinden wird. Es bahnt sich eine Verlagerung des Verfahrens nach Niederösterreich an oder in einen anderen Gerichtssprengel.

Der Grund: Eine nahe Verwandte des beschuldigten Ex-ÖBB-Güterchefs Gustav Poschalko ist Richterin am Landesgericht Wien, und vieles deutet darauf hin, dass sich sämtliche Strafrichter für befangen erklären. Mangels Verfügbarkeit eines Richters könnte das Oberlandesgericht Wien oder der Oberste Gerichtshof den Prozess wegen mutmaßlicher Untreue aufgrund der Vergabe eines Beratungsauftrags an die ungarische Agentur Geuronet über 6,6 Millionen Euro zumindest nach Korneuburg, St. Pölten oder Wiener Neustadt ausgelagert werden, erfuhr der STANDARD aus Justizkreisen. Welcher Sprengel werde entschieden, wenn die Anklage Rechtskraft erlangt habe, heißt es im Grauen Haus.

Promifaktor auf Zeugenliste

Wo immer der Prozess geführt werden wird: Die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beantragte Zeugenliste verspricht ein Beweisverfahren mit Promifaktor - und einem Schuss Unterhaltungswert. Denn neben diversen ehemaligen und aktiven ÖBB-Managern wie Ex-Holding-Chef Martin Huber, Ex-Finanzchef Erich Söllinger und dem damaligen RCA-Vorstandsdirektor Ferdinand Schmidt (heute: Geschäftsführer ÖBB-Technische Services, Anm.) finden sich auch ehemalige Aufsichtsratsmitglieder wie RBI-Chef Karl Sevelda oder Ex-Flughafen-Chef Herbert Kaufmann. Dass einige Herren auf der Liste für Zeugenvernehmungen einander nicht grün sind, oder, wie man in Wien zu sagen pflegt, noch ein paar Rechnungen offen haben, lässt ein spannendes Verfahren erwarten.

Da András Gulya - er war laut Anklageschrift faktischer Geschäftsführer, der zwischen ihrer Gründung 2001 und ihrer Schließung 2010 laut Anklage "nur mit einem einzigen bedeutenden Geschäftsfall" betrauten Geuronet KG - unbekannten Aufenthalts sei, hat die Staatsanwaltschaft beantragt, dass András Gulyas Mutter, Zwei-Drittel-Eigentümerin Victória, befragt wird. Ihre Darstellung ist widersprüchlich: Sie hat vor ungarischen Behörden angegeben, sämtliche schriftliche Unterlagen dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt zu haben, andererseits darauf verwiesen, dass "aufgrund des Wesens des Vertrages" gar keine Unterlagen verfasst worden seien. Jedenfalls: In der gemeinsamen Aufsichtsratssitzung von ÖBB-Holding und RCA am 26. Februar 2008 (in der Zweitbeschuldigter, ÖBB-Präsident Horst Pöchhacker, originell über Schmiergeldzahlungen parlierte) erhielten die Kontrollore ein Konvolut ungarischer Presseartikel und eine Terminübersicht von 17 Treffen mit Gulya zwischen Mai und Weihnachten 2007.

Diesen Leistungskatalog erstellte laut Anklageschrift tatsächlich nicht Geuronet, sondern die zwecks Rechtsberatung des MávCargo-Kaufs engagierte Kanzlei Baker & McKenzie. Sie war es auch, die Poschalkos Nachfolger konsultierten, als 2009 die letzte Tranche an Geuronet zu zahlen war. Die Kanzlei attestierte dem Geuronet-Auftrag freilich keine pauschale Unbedenklichkeit, sondern prüfte nur die Frage, ob Lobbying in Österreich grundsätzlich verboten ist und ob das Honorar voll zu zahlen sei. Letzteres war umstritten, weil der Kaufpreis mit rund 400 Mio. Euro deutlich über den erwarteten 275 Mio. Euro lag.

Unangenehme Fragen zum MávCargo-Deal warten auch auf aktive und ehemalige Ministeriumsmitarbeiter: Johannes Kasal, derzeit im Kabinett von Vizekanzler Michael Spindelegger (war 2007 in der Strategieabteilung der ÖBB-Holding), und Willibald Berner, einst Kabinettschef von Verkehrsminister Michael Schmid (FPÖ), der vehement bestreitet, sich um den Geuronet-Auftrag beworben zu haben. (ung, DER STANDARD, 8.7.2014)