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Argentiniens Torjäger Mario Kempes (2. v. li.) erzielt im Fallen das 1:0, Goalie Jan Jongbloed ist geschlagen. Die Niederlande mit Coach Ernst Happel werden im WM-Finale 1978 mit 3:1 geschlagen.

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São Paulo / Buenos Aires - Die Erinnerung an die WM 1978 in Argentinien löst im Zentrum Mitteleuropas einen Reflex aus, der je nach Sichtweise als Wunder oder Schmach von Córdoba tituliert wird. Sportlich war Österreichs 3:2-Sieg gegen die Deutschen in der damals noch existierenden Zwischenrunde aber völlig wertlos. Beide Teams verpassten den Aufstieg ins Finale.

Dabei hatte die WM 1978 ganz andere Aufreger zu bieten. Die Militärjunta von Diktator Jorge Rafael Videla forderte Argentiniens Heimtriumph, der im Finale gegen die Niederlande sichergestellt werden sollte. Es war übrigens das erste Endspiel seit dem Zweiten Weltkrieg, in dem weder Deutschland noch Brasilien standen. Der erste Titel gelang Argentinien gegen die von Ernst Happel trainierten Oranjes durch ein 3:1 nach Verlängerung. Mario Kempes traf vor mehr als 70.000 Fans im Estadio Monumental von Buenos Aires zwei Mal. Der Stürmer wurde mit sechs Treffern Torschützenkönig. Der Weltstar sollte ab 1986 für sechs Jahre in Österreich kicken. Er geigte für die Vienna, St. Pölten und den Kremser SC.

Direkt vor dem Anpfiff zum WM-Finale setzte Argentiniens Teamkapitän Daniel Passarella auf einen Psychotrick: Er forderte von Schiedsrichter Sergio Gonella aus Italien, dass der gegnerische Stürmer René van de Kerkhof seinen eingegipsten Arm mit einem weichen Stoff und Tapeverband umwickeln muss.

Van de Kerkhofs Hand

Gonella, der später die Albiceleste auch auf dem Spielfeld bevorzugt behandeln sollte, schickte van de Kerkhof zurück in die Kabine. Daraufhin beorderte ein verdutzter Trainer Happel sein gesamtes Team wieder in die Katakomben. Der Witz an der Sache: Van de Kerkhof hatte sich schon im ersten WM-Spiel gegen den Iran die Hand gebrochen. Die daraufhin eigens aus den Niederlanden eingeflogene Gipsmanschette trug er in den folgenden fünf Partien ohne Aufsehen - ehe der unverpackte Gips zum Problem wurde. "Er hat bewusst versucht, uns aus unserer Konzentration zu bringen", sagte van de Kerkhof später über Argentiniens Kapitän Passarella.

Dabei hätte Argentinien gar nicht im Finale stehen dürfen. Die entscheidenden Spiele der Zwischenrunde wurden entgegen üblichen Gepflogenheiten nicht zeitgleich ausgetragen. Somit wusste Argentinien vor der Partie gegen Peru, dass ein Sieg mit vier Toren Unterschied nötig war. Argentinien siegte gegen auffällig passive Peruaner 6:0. Die Militärjunta soll Perus Regierung mit Getreidelieferungen und anderen Zuwendungen belohnt haben.

Für den argentinischen Sportjournalisten Ezequiel Fernández Moores war die WM 1978 die "offensichtlichste politische Manipulation im Sport seit den Olympischen Spielen 1936". Argentiniens Trainer César Luis Menotti setzte nach dem Finalsieg über die Niederlande aber ein vielbeachtetes Zeichen. El Flaco ("der Dürre") verweigerte General Videla den Handschlag. (krud, DER STANDARD, 08.07.2014)