Nageln mit Köpfchen: Diesel hat das größte verbrennungsmotorische Sparpotenzial. In der Stadt fährt man künftig elektrisch. Weitere Strecken aber nur, wenn man dazwischen laden kann. All dies vereint derzeit nur einer: Volvo V60 Plug-in Hybrid.

Alter Schwede? Junger Schwede! Für den muss man sich direkt was einfallen lassen. Wäre ja fast langweilig, ihm zuzugestehen, dass man in der Stadt praktisch mit null Verbrauch auskommt, wenn man Verbrauch auf Antriebskraft aus der Zapfsäule bezieht und den aus der Steckdose ignoriert. Sofern man nämlich stets eine Dose zum Laden in der Nähe hat – was, und damit zu den Tücken des Alltags, noch längst nicht der Fall ist, womit der V60 Plug-in Hybrid sein volles Potenzial auch nicht immer und überall entfalten kann.

Foto: Andreas Stockinger

Wo waren wir? Einfallen lassen. Weil es sich unter dieses Volvos Haube auch ein Dieselaggregat bequem macht, ersannen wir ein auf die Gesamtkonstellation bedachtes Testprofil. Wie wär’s mit Vorarlberg, Schweiz, dazu ein paar archetypische Alpenpässe und deutsche Autobahn? Da fühlt sich Carl Gustav wieder Jung und kommt Bruder Klaus aus seiner Klause. Ergebnis, jetzt auf der physischen, nicht metaphysischen Seite: 5,2 Liter Gesamtverbrauch auf 100 km. Wie gesagt, bei städtischem Einsatzszenario wird das deutlich weniger, und damit zum Artspezifischen.

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Fährst du hochsommers im Elektromobilpuristenmodus, per Anwahl der Taste Pure in der Mittelkonsole aktivierbar – die anderen Modi: Hybrid und Power –, geht die Klimaanlage in ein anderes Zimmer spielen. Aus den Lüftungsdüsen wird dir zwar immer noch Luft zugefächelt, aber das ist wie mit dem Propellerdeckenventilator in alten Hollywoodschinken, Casablanca oder Malteser Falke etwa, mit Humphrey Bogart: nur Verteilen von heißer Luft. Der Effekt ist aber keineswegs heiße Luft, sondern Annäherung an die elektrische Maximalreichweite von 50 km. 35, 40 davon haben wir allzeit erreicht.

Damit sind wir beim Kofferraum. War da was? Mehr Platz in der "normalen" Version? Nur die Ruhe, irgendwo muss die ganze zusätzliche Technik schließlich hin. Unter die (erhöhte) Kofferraumabdeckung zum Beispiel die Lithium-Ionen-Batterie. Das fette Ladekabel will auch noch verstaut sein, und schon haben wir die Ursachen der Schrumpfung von 430 auf 304 Liter.

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AWD steht drauf, das heißt Allrad, und das geht hier so: Vorne treibt der 5-Zylinder-Diesel (215 PS) an, hinten der Elektromotor (68 PS), was zur harmonischen Entfaltung der 280 PS-Systemleistung aufwändiger Regelelektronik bedarf, welche Volvo klarerweise an Bord hat.

Was uns neulich beim Plug-in-Hybrid-Sportler BMW i8 aufgefallen war: der akustische Sprung von extrem leise (Elektromodus) auf ganz schön sportlich dreist (3-Zylinder-Turbo). Das ist beim Volvo ähnlich. Denn der Diesel ist ein ganz schön kerniger Bursche. "Nageln mit Köpfchen", fällt einem spontan zum Gesamtpaket ein.

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Was weiter auffällt im Fahrbetrieb, ist diese gewisse Gewichtigkeit des Seins. Das liegt an 258 kg Mehrgewicht, wovon allein die Lithium-Ionen-Batterie 150 kg ausmacht. Um die Ecke fahren wie mit einem Gokart, daran sollte man gar nicht erst denken. Tut man mit einem V60 sonst ja auch nicht. Mit dem reist man kultiviert und komfortabel durch die Lande, von dem fühlt man sich gewissenhaft umsorgt.

Ein anderer Punkt ist diese synthetische Bremswirkung, die vom Heraufdräuen einer neuen Mobilitätsära kündet. Typischer Fall für das Phänomen der Gewöhnung. Will man bei den ersten Malen fast ärgerlich werden über dieses matschige Gefühl am Pedal, merkt man das schon nach zwei Tagen gar nicht mehr. Da empfindet man die Verzögerung im BMW i3, sobald man dort vom Gas geht, viel dauerhafter unangenehm, obwohl es auch wieder Fans gibt, die genau darauf abfahren.

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Konzept. Volvo demonstriert mit diesem Vorstoß Mut und Innovationswillen, Magna und Bosch darf man mit als bedeutende Systemintegratoren nennen. Diesel und Elektromotor, dazu fallen einem derzeit Peugeot 508 RXH, 3008 und Citroën DS5 Hybrid4 ein, auch Mercedes E 300 Hybrid, Range Rover/Range Rover Sport 3,0 SDV6 HEV – als Plug-in-Hybrider ist der V60 aber allein auf weiter Flur. In Kombination mit Ottomotor gibt’s zurzeit Plug-in-Hybrid-Autos à la Toyota Prius, Porsche Panamera und ein paar Supersportwagen, Letzterer weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, aber etliche weitere Modelle stehen unmittelbar vor der Markteinführung.

Der Grund für die plötzliche Vielfalt: Plug-in gilt als wichtige Brückentechnologie auf dem Weg zur Mobilität der Zukunft. Bei Volvo hat sie schon begonnen, und sie hat einen durchaus überschaubaren Preis: 59.500 Euro.

Und damit beenden wir unseren Mittsommernachtstest und widmen uns der ersten Winterdepression. Die stellt sich verlässlich nach jeder Sommersonnenwende ein. Da ist uns sogar die Energiewende wurscht. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 12.7.2014)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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