"Käthchen" Anna Unterberger und und "Friedrich Wetter Graf vom Strahl" Nikolaus Barton. 

Foto: Jodlbauer

Perchtoldsdorf - Ein kühler Abendwind wühlt sich durch premierenfeine Damenfrisuren und tiefe Männerscheitel. Auf der Bühne pusten, blasen, prusten und pfeifen Ritter, Grafen und Vasallen Regengeprassel und Sturmgewitter. Später werden sie wiehern und Pferd und Reiter sein, Luftinstrumente spielen, Luftbriefe überreichen. Theater als Behauptung, das exzessive Spiel als ob: Das zählt zu den bezauberndsten Regie-Einfällen Maria Happels, die in Perchtoldsdorf Heinrich von Kleists Das Käthchen von Heilbronn inszeniert. Nur die Feuersbrunst, die flammt gen Himmel und lodert aus den Burgfenstern, pyrotechnisch aber hallo.

Pradler Ritterspiele, Slapstick, Klamotte, Clownerie und Parodie: Happel greift tief - mitunter zu tief - in den Topf inszenatorischer Lustigkeiten, um die Irrungen und Wirrungen rund um Kleists Traumpaar Käthchen (Anna Unterberger) und Friedrich Wetter Graf vom Strahl (Nikolaus Barton) zu erzählen. Ein Stück, das vor 204 Jahren in Wien uraufgeführt, von der Kritik zerrissen und vom Publikum gestürmt wurde.

Dem Käthchen und dem Grafen wird im Schlaf ihre große Liebe geflüstert. Doch während Käthchen im unschuldig-weißen Leinenkleid in der Strahlkraft des Grafen sofort ihre Lebensliebe erkennt, ist der liebestechnisch doch ein wenig wetterwendige Friedrich im Brustpanzer zunächst von der Tatsache verblendet, dass dies Mädchen offenbar nicht kaiserlichen Geblüts ist, sondern nur des Waffenschmieds (Dirk Nocker) Tochter (später stellt sich heraus: Sie ist doch das Ergebnis kaiserlicher Lustanwandlung). Also wendet er sich der schrillen Täuscherqueen Kunigunde von Thurneck (Veronika Glatzner) zu; das wiederum ruft deren Ex (Alexander Tschernek als Burggraf von Freiburg) und den zukünftigen Ex (Helmut Bohatsch als Rheingraf vom Stein) auf den Kriegspfad.

Als wäre der Plot nicht schon kompliziert genug, besetzt Happel Georg, den Freund des Burggrafen, mit Bohatsch und Herrnstadt, den Freund des Rheingrafen, mit Tschernek, Michael Masula ist sowohl Freiburgs Vasall als auch Steins Freund. Fast alle müssen mehrere Rollen spielen: eine ziemliche Kraftanstrengung für das tadellose bis sehr gute Ensemble, das sicht- und hörbar Spaß an der Freud' hat. Leise Töne, die Kleists Sprache verdienen würde, sind rar. Bei Freiluftspielen muss wohl alles ein bisschen dralliger und drolliger sein.

Happel setzt auch auf die Kraft der Familie: Neben Nocker, Happels Ehemann, spielen die beiden Töchter Paula und Annemarie. Renate Martin, Ehefrau des Intendanten-Debütanten Michael Sturminger, und deren Kinder Paul und Marie sind am Bühnenbild- und Kostümwerk. Auch Happel selbst rappelt u. a. als eine von Kunigundes Tanten im augenmarternd grellen, knackengen Strampelanzug durch die Szene.

So offensiv lustig wie Happels Inszenierung sind auch die, ja, variantenreich historisch-hysterischen Kostüme (R. Martin, M. Sturminger). Gelungen die Bühne: Andreas Donhauser, Sebastian Eckl und Paul Sturminger haben der Burg eine Art schwarzglänzende Dachlandschaft vor- und aufgesetzt, ein rutschiger Boden für Femen, Fehden, Liebe und Intrigen - für ein alles in allem erfrischend gespieltes und vom Publikum akklamiertes Ritterburgspiel. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 7.7.2014)