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Nicht Gegenstand salbungsvoller Huldigung, sondern eher mit einem Augenzwinkern gezeichnet: Kaiser Konstantin.

Foto: Archiv

Ivan Ivanji ist einer von jenen gar nicht so wenigen, die Jugoslawien einst groß gemacht haben übers äußere Maß hinaus. Anders als so mediokre Figuren wie Slobodan Milosevic oder Franjo Tudjman wusste er, dass politische und militärische Stärke immer nur ein Zubrot sein konnte zum Eigentlichen, zur Idee. Ohne die Tragfähigkeit dieser Idee ist selbst die volksarmistischste Volksarmee bloß ein Haufen versprengter Zivilisten, deren Schreckhaftigkeit dann höchstens in reiner Mordbüberei sich äußern kann.

Vielleicht ist es ja etwas überinterpretiert, dem Ivan Ivanji solch eine Perspektive in den nun endlich auf Deutsch erschienenen Roman über Kaiser Konstantin den Großen hineinlesen zu wollen. Aber man wird nicht ganz danebenliegen, die Geschichte des Konstantin - der letzte wirkliche Imperator Romanorum - als jene Suche nach der fundamentalen Staatsidee zu lesen, an der die Jugoslawen in Jugoslawien am Ende ja verzweifelt sind.

Kult des Sol Invictus

Ivanjis so weit in die Antike zurückgreifender Roman erschien in Belgrad 1988. Ein Jahr nach der Machtergreifung Milosevics in Serbien, drei Jahre vor dem Beginn der jugoslawischen Zerfallskriege. Vor diesem Hintergrund liest sich die Geschichte des Konstantin aktuell, beinahe brisant. Ivanji vermeidet die salbungsvolle Huldigung an den entscheidenden Mitbegründer des Christentums. Der Untertitel des Romans - Der dreizehnte Apostel - zwinkert eher mit den Augen. Kaiser Konstantin wird gezeichnet als letzter kraftvoller Herrscher. Das junge Christentum, das dem grassierenden Kult des Sol Invictus so ähnlich schien, war ihm ein hochwillkommenes Instrument, so gesehen ein Geschenk des Himmels.

"Herr", so lässt Ivanji die konstantinischen Offiziere klagen, "wir können nicht jedes Mal, wenn wir eine Legion in eine andere Provinz verlegen, einen neuen Kult erlernen." Das versteht der nach der Alleinherrschaft Greifende - der ja auch in Augusta Terverorum, dem heutigen Trier, ganz nahe an den Barbaren, gelebt hat - sogleich nur zu gut. Und so kommt es denn auch, dass die konstantinischen Truppen vor der Schlacht an der Milvischen Brücke gegen den Mitregenten Maxentius im Jahr 312 mit dem griechischen Chi-Rho, dem Christusmonogramm, geschmückt werden. "In hoc signo vinces", "In diesem Zeichen wirst du siegen", überlieferten eifrigst die redseligen Kirchenväter der staunenden Nachwelt das Wunder. "Aber noch mehr als dieses Zeichen", lässt Ivanji einen Priester der alten Religion einwerfen, "haben dir die christlichen Spione mit ihren Berichten aus Maxentius' Lager geholfen." Konstantin erwidert ihm: "Na und?"

Ein solches "Na und?" erklang schon ein paar Jahre zuvor am Ostrand des Reiches, im unzugänglichen Armenien. Hier fasste das Christentum erstmals als Staatsreligion Fuß, eingeführt vom Herrscher Tiridates, einem alten Kumpel des Konstantin aus juveniler Militärzeit. Beide dienten ja bemerkenswerterweise unter dem Christenfresser Diokletian, der von Spalatum aus regierte, dem heutigen Split, und über den Ivanji auch schon einen historischen Roman geschrieben hat. Konstantin wurde, so erzählt es auch Ivanji, als Sohn einer Wirtin in Naissus, dem heutigen Nis, geboren.

Die beiden zählen also zur Liste der balkanischen Kaiser, die schließlich das weltliche Erbe des Imperiums bis fast in die Neuzeit getragen haben. Konstantin schuf sich am Südrand des Balkans, am Goldenen Horn, eine neue, imposante, weit in den Osten hinüberstrahlende und somit stets lockende Hauptstadt: das heutige Istanbul, das alte Konstantinopel, das uralte Byzantium.

Auf der asiatischen Seite des Marmarameeres liegt Iznik. In früheren Tagen nannte man die Stadt Nicäa, und hier wurde das Christentum 325 als geistliches Erbe der Antike festgeschrieben. Den Vorsitz übers Konzil führte klarerweise der Pontifex maximus, Konstantin eben.

Auch tragfähige Ideen verlieren mit der Zeit ihre Tragfähigkeit. Und Reiche, die vergehen sowieso immer wieder und überall. Das musste Ivan Ivanji niemand extra lehren. Geboren 1929 auf der Banater Seite der Theiß, sozusagen hinein in den gerade verwehenden Geruch des vielmundigen Kakanien; von Novi Sad 1944 deportiert nach Auschwitz und Buchenwald. Zwanzig Jahre dolmetschte er dem Josip Broz Tito.

Keine bloße Übersetzung

Sechzehn Romane schrieb er, und seine geläufige Zweisprachigkeit ermöglichte dem Vater des Belgrader Standard-Korrespondenten eine rege Übersetzertätigkeit. Und zwar, was eine ganz besondere Gabe ist, eine hin und her. Er übersetzte beispielsweise Heinrich Böll und Bert Brecht ins Serbische, umgekehrt Danilo Kis ins Deutsche.

Und nun auch für den stets so aufmerksam nach Südosten ausschauenden Wieser-Verlag in Klagenfurt/Celovec den Kaiser Konstantin. Der ist also demnach keine bloße Übersetzung. Sondern ein veritables Original, was die Lektüre zusätzlich empfehlenswert macht. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Album, 5./6. 7.2014)