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4. Juli 1954: Mit seinem zweiten Tor in der 84. Minute zum 3:2 über Ungarn vollbrachte Helmut Rahn das "Wunder von Bern" und läutete damit die heutige Zeit ein.

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Im Hotel Euler zu Basel - gleich beim Hauptbahnhof ist das - ging am 15. Juni 1954 ein lange gewälzter Plan ins Stadium seiner Verwirklichung. 31 europäische Fußballverbände nutzten die Gunst der Stunde zu einem weitreichenden Entschluss. Sie formierten einen Kontinentalverband. Und der Weltverband, die Fifa, machte notgedrungen gute Miene zu diesem Spiel.

Tags darauf, am 16. Juni 1954 - übrigens der erste, von Flann O'Brian und seinen Saufkumpanen zelebrierte Bloomsdays -, startete die erste europäische WM nach dem Krieg.

Die WM war Weltangelegenheit. Aber die 31 Herren im Hotel Euler waren sich einig, dass die Welt eine Basis brauche. Und im Fußball war die zweifellos immer noch Europa. Vier Fünftel der registrierten Spieler waren hier zugange. Und dennoch lagen die Agenden des internationalen Wettspielverkehrs ausschließlich bei der Fifa, die bis dahin ausdrücklich verboten hatte, sich kontinental zu organisieren - aus der nicht unberechtigten Angst, so das schöne, weltumspannende Spiel regeltechnisch und spielkulturell zu zerfleddern.

Ausdrückliches Schmollen

Dass die Südamerikaner sich schon seit 1916 in ihrer Conmebol (Portugiesisch: Confederação Sul-Americana de Futebol; Spanisch: Confederación Sudamericana de Fútbol) zusammengeschlossen hatten, nahm die Fifa zwar nicht unter Protest, aber doch unter ausdrücklichem Schmollen zur Kenntnis.

In Europa wurde schon seit den 1920er-Jahren, als klar wurde, dass in der Mitte des Kontinents eine schottisch inspirierte Antwort auf die englische Dominanz gefunden wurde, über Ähnliches geredet. Und - muss man wohl so sagen - auch ein bisserl intrigiert. Die diesbezügliche Hauptrolle spielte der Wiener Hugo Meisl, Mitbegründer auch der Fifa, und der seit diesen Tagen enge Freund des Wiener Zampanos, Henri Delaunay, der ewige Sekretär des französischen Verbandspräsidenten Jules Rimet, der freilich striktest gegen diesen Plan war. Von 1921 an amtierte dieser Rimet ja als Fifa-Präsident. Nach ihm war jener Wanderpokal benannt, den Brasilien nach dem dritten WM-Titel 1970 behalten durfte.

Aber schon damals war klar, dass Leute wie Jules Rimet - oder der Engländer Stanley Rous - auf dem kürzeren Ast sitzen. Fußball hat, wenn er einmal angekeimt ist im Humus einer Gesellschaft, die für jede Bürokratie so verheerende Eigenschaft, sich um Verbände nur noch eingeschränkt zu sorgen. Hugo Meisl und seine Mitstreiter, zu denen stets eben auch der französische Sekretär Delaunay zählte, riefen mit dem Mitropa-Cup (eigentlich: Coupe de l'Europe Centrale) den ersten länderübergreifenden Bewerb ins Leben. Der in Venedig gefasste Beschluss wurde in Wien in einem Büro untergebracht. Die Trophäe war eine Nachbildung jener "Providentia", die den Donnerbrunnen am Neuen Markt schmückt. Providentia sagen die Lateiner zur Vorsehung. Und die tut halt zuweilen, was sie will.

Das in Wien beheimatete Mitropa-Cup-Komitee war jedenfalls jenes Ende des Fadens, an dem der europäische Fußball 1954 wieder anknüpfen wollte. Umfasste der Mitropa-Cup ja nicht nur den Vereinsbewerb (als Blaupause für den Europacup), sondern auch einen für Nationalteams, den Österreich 1932 gewann (der einzige europäische Titel übrigens).

Beide Bewerbe, darauf einigte man sich im Hotel Euler am leichtesten, wurden wiederbelebt. Mit den anderen ins Auge gefassten Bewerben (Meistercup, Cupsiegercup, Messestädtecup) ließ man sich noch ein wenig Zeit.

Wenigstens bis zum 2. März 1955. Da traf man sich dann in Wien - nicht nur, aber auch anlässlich der Eröffnung des neuen ÖFB-Hauses in der Mariahilfer Straße - zum ersten Uefa-Kongress. Dort wurde gleich einmal ein trauriger Beschluss gefasst. Österreichs Justizminister Josef Gerö, ÖFB-Präsident und Vizepräsident der Uefa, war im Dezember gestorben. Der bis zur Einführung der heutigen EM 1960 gültige Teambewerb erhielt seinen Namen. Henri Delaunay, der gemeinsam mit Gerö den Hugo Meisl in die Nachkriegszeit gewuchtet hat, starb im Oktober 1955.

Da war die Welt allerdings schon eine andere: Heute vor 60 Jahren, am 4. Juli 1954, schlug Deutschland im Finale zu Bern Ungarn 3:2. Und dabei ist es, wenn man so will, bis heute geblieben. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 4.7.2014)