Die Blüte von Axinaea affinis hat gelbe kugelförmige Staubblattanhängsel (die "Blasebalg-Organe") und rosa gefärbte Kronblätter. Der Pollen befindet sich gut versteckt in den schwärzlichen, länglichen Antheren, die mit den Staubblattanhängseln verbunden sind (Copyright: Agnes Dellinger).

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Ein Weißbrauen-Buschtangar (Chlorospingus pileatus) hat sich ein Staubblatt geschnappt. Dabei hat er einen Mechanismus ausgelöst, der ihn mit Pollen besprüht hat.

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Wien - Nicht jede Pflanze begnügt sich bei der Bestäubung durch Tiere mit einer passiven Rolle. Bei Feldforschungen an tropischen Kleinbäumen in Bergregenwäldern Zentral- und Südamerikas haben heimische Forscher einen ausgeklügelten neuen Mechanismus identifiziert: Die Pflanzen locken Vögel an und nebeln deren Kopf durch eine Art Blasebalg-Organ mit Pollen ein.

Die Pflanzen der Gattung Axinaea gehören zur Familie der Melastomataceae (Schwarzmundgewächse), die insgesamt etwa 5.000 Arten zählt. Die meisten dieser Pflanzen werden von Bienen bestäubt. Lediglich ungefähr 100 Arten machen sich zur Fortpflanzung die Dienste anderer Tiere wie Käfer, Fliegen oder Kolibris zunutze. Gerade in höheren Lagen kommen Wirbeltiere wie etwa Vögel tendenziell häufiger als Bestäuber vor - ein möglicher Beleg für die Hypothese, dass Wirbeltiere mit steigender Seehöhe verlässlichere Bestäuber sind als beispielsweise Bienen.

Der Anreiz

Die Wissenschafter um Agnes Dellinger vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien fanden nun heraus, dass Axinaea eine exotische Fortpflanzungsart entwickelt hat, für die sie Tangaren - bunte Verwandte unserer Sperlinge - als Pollenverbreiter einsetzt. "Wir waren erstaunt, dass die Vögel nicht wie bei den meisten anderen von Vögeln bestäubten Pflanzen Nektar trinken, sondern die Staubblätter von Axinaea fressen", so Dellinger in einer Aussendung.

Bei verschiedenen Axinaea-Arten stehen die Blüten in lockeren oder dicht gedrängten Blütenständen mit rosa, gelb, orange oder rot gefärbten Kronblättern. Die männlichen Reproduktionsorgane - die sogenannten Staubblätter - bilden bei fast allen Arten einen starken Farbkontrast zu den Blütenkronblättern.

... und der Nutzen für die Pflanze

Die Vögel werden von den auffällig gefärbten und zuckerreichen Anhängseln der Staubblätter angelockt. Schicken sich die Sperlinge an, diese zu fressen, aktivieren sie dort ein eigenes Blasebalg-Organ, das eine Pollenwolke auswirft. Dabei bleibt Pollen am Schnabel und Kopf haften, wie die Wissenschafter in der Fachzeitschrift "Current Biology" berichten. Macht sich der Vogel dann zu einer neuen Blüte auf, um dort ein weiteres Staubblatt zu fressen, berührt er dabei zwangsläufig das weibliche Organ - die Narbe - der anderen Pflanze und führt so die Bestäubung durch.

Diesem Vorgang kamen die Forscher mittels Videobeobachtungen, Bestäubungsexperimenten und Laboranalysen zu Aufbau, Struktur und chemischer Zusammensetzung der Staubblätter auf die Schliche. Obwohl sich die Wissenschaft schon seit Jahrhunderten mit Bestäubung auseinandersetzt, unterscheidet sich diese Methode deutlich von bisher bekannten Vogelbestäubungssystemen. Es sei sonst keine von Vögeln bestäubte Pflanze bekannt, die klar abgrenzbare Blasebalg-Organe zur Verbreitung von Pollen ausbildet. (red/APA, derStandard.at, 3. 7. 2014)