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Laurent Fabius, Pawlo Klimkin, Frank-Walter Steinmeier und Sergej Lawrow in Berlin.

Foto: APA/EPA/Stache

Berlin - Bei einem Krisentreffen in Berlin haben sich Russland und die Ukraine auf einen neuen Ansatz zum Eindämmen der Kämpfe in der Ostukraine verständigt. Das teilte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Rande des Krisentreffens mit seinen Kollegen aus Russland, Frankreich und der Ukraine am Mittwoch mit.

"Es ist uns heute gelungen, zu einer Einigung zu kommen über ein Maßnahmenbündel, das zusammengenommen den Weg zu einer belastbaren beidseitigen Waffenruhe weisen kann", sagte Steinmeier. Bis zu einer Waffenruhe seien aber noch weitere Schritte notwendig. Ukrainische Streitkräfte griffen am Mittwoch nach dem Ende Feuerpause verstärkt Stellungen von Separatisten im Osten des Landes an.

Verhandlungen sollen spätestens am Samstag beginnen

Aus der gemeinsamen Erklärung geht hervor, dass spätestens am Samstag Verhandlungen über eine dauerhafte beiderseitige Feuerpause beginnen sollen. Russland erklärte sich zu gemeinsamen Grenzkontrollen mit ukrainischen Zöllnern bereit - allerdings erst, wenn der Waffenstillstand in Kraft ist. Für die Überwachung soll die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zuständig sein.

"Das ist nicht die Lösung aller Probleme", sagte Steinmeier. "Das ist nicht die Wunderformel, die über Nacht alles gut sein lässt. Aber es ist ein erster und wichtiger Schritt in Richtung eines beidseitigen Waffenstillstands." Zudem sei vereinbart worden, die rasche Freilassung aller Geiseln zu erreichen, sagte Steinmeier. Auf seine Einladung hin waren am Nachmittag Russlands Außenminister Sergej Lawrow, sein ukrainischer Kollege Pawlo Klimkin und der französische Außenminister Laurent Fabius zu dem Krisentreffen zusammengekommen.

120 Stützpunkte unter Feuer genommen

In der Ukraine dauerten unterdessen die Kämpfe an. Im Rahmen der "Anti-Terror-Operation" würden etwa 120 Stützpunkte der prorussischen Aufständischen unter Feuer genommen, teilte die Armeeführung mit. "Die Offensive endet erst, wenn der letzte russische Söldner ukrainischen Boden verlassen hat", sagte Verteidigungsminister Michail Kowal.

Die einseitig verkündete Feuerpause hatte nicht gehalten, Präsident Petro Poroschenko hatte sie nach zehn Tagen nicht mehr verlängert. Die Schuld gab er den Separatisten. Der russische Außenminister Lawrow sagte dazu: "Wir haben leider zwei Tage verloren." Sein ukrainischer Kollege Klimkin betonte, dass es wegen der Angriffe der Separatisten auch während des Waffenstillstands viele Tote gegeben habe.

Medwedew: Ende der Feuerpause "dramatischer Fehler"

Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew kritisierte das Ende der Feuerpause als "dramatischen Fehler". Poroschenko habe damit "die persönliche Verantwortung für jedes neue Opfer übernommen", sagte Medwedew am Mittwoch. Es werde der ukrainischen Führung nun schwererfallen, wieder Gespräche mit den Separatisten zu führen. "So sind die Gesetze des Krieges", schrieb er auf Facebook.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel setzt auch nach dem Ende der Waffenruhe auf eine politische Lösung. "Wir werden nicht nachlassen, nach einer diplomatischen Lösung zu suchen", sagte Merkel nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Berlin. "Aber wir sind noch längst nicht dort, wo wir gern sein würden."

Rasmussen rief die russische Führung um Präsident Wladimir Putin auf, ihren "Kurs zu überdenken". Russland müsse verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen. "Wir können keine neuen Trennlinien in Europa gebrauchen", sagte der NATO-Generalsekretär.

Separatisten zu Verhandlungen bereit

Vertreter der Aufständischen erklärten sich zu neuen Verhandlungen bereit. "Wir haben bereits auf einige Forderungen verzichtet und stehen für Gespräche über eine Waffenruhe zur Verfügung", sagte ihr Anführer Alexander Borodaj. Er berichtete von heftigen Angriffen auf die Orte Gorlowka und Dserschinski.

Der ukrainische Parlamentschef Alexander Turtschinow sprach von Erfolgen der "Anti-Terror-Operation". Regierungstruppen und Nationalgarde seien dabei, den Osten der Ukraine "effektiv von Terroristen zu säubern und von den Belagerern zu befreien".

Der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Sorjan Schkirjak, sprach von etwa 1.000 getöteten Separatisten allein am Dienstag. Separatisten wiesen das als Unsinn zurück. "Es gibt schwere Kämpfe, doch wir sind bisher nicht einen Meter zurückgewichen", sagte der Anführer Waleri Bolotow in Lugansk.

Seit Beginn der "Anti-Terror-Offensive" gegen die Aufständischen Mitte April seien etwa 200 Soldaten getötet und mehr als 600 verwundet worden, sagte Andrej Lyssenko vom Sicherheitsrat in Kiew.

Medwedew erwartet "große Gaskrise" im Herbst

Medwedew erwartet wegen des Konflikts eine "große Gaskrise" im Herbst. "Die Ukraine zahlt nicht für ihr Gas. Ihre Schulden sind riesig. Sie nehmen Gas aus den unterirdischen Speichern. Es wird im Herbst eine große Gaskrise geben", schrieb Medwedew am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite.

Über das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU sagte Medwedew, das sei "das Recht der Ukraine" gewesen. Doch sei es nun "das Recht Russlands", die Beziehung anzupassen, insbesondere zum Schutz des russischen Marktes. Russland hat der Ukraine am 16. Juni das Gas abgedreht, nachdem es nicht gelungen war, sich über den Umgang mit den Schulden und die Höhe des künftigen Gaspreises zu einigen. Der Gasstreit droht auch die Gasversorgung anderer europäischer Länder zu beeinträchtigen. (APA, 2.7.2014)