Bild nicht mehr verfügbar.

Auch am Mittwoch zeigten sich immer wieder Flüchtlinge auf dem Dach der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin. Das Gebäude wird nicht mehr für den Unterricht benutzt.

Foto: APA/EPA/DANIELÜNAUPOLD

Der Massagetisch ist neu. Er steht im Berliner Bezirk Berlin-Kreuzberg an der Ecke Reichenberger/Ohlauerstraße und ist gut frequentiert. Immer wieder lassen sich "Revolutionäre" mit Rückenschmerzen durchkneten. Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch war für viele von ihnen hart.

Sie schliefen auf der Straße, um ein Signal der Solidarität auf das Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule zu senden – jenes Gebäudes, das rund 100 Meter entfernt von der Polizei abgeschirmt wird. "Wir lassen sie nicht alleine, sie haben ja sonst gar keinen mehr", sagt ein junger Mann.

Am Mittwochnachmittag harrten in der Schule immer noch rund 40 Flüchtlinge aus, die die Schule vor acht Tagen besetzt hatten und sich seither weigerten, diese zu verlassen – es sei denn, sie bekämen Aufenthaltsrecht in Deutschland.

Am Mittwochabend wurde schließlich einen Kompromiss unterzeichnet:  die Flüchtlinge dürfen weiterhin abgetrennte Bereiche des leerstehenden Schulgebäudes nutzen, sollen nicht wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsrecht verfolgt werden und Hausausweise bekommen. Die Kontrolle soll nun ein privater Sicherheitsdienst übernehmen, bis zu dessen Arbeitsantritt die Polizei auf Bitten des Bezirks in reduzierter Mannstärke vor Ort bleiben wird.

Grüne ordneten Räumung an

Tags zuvor hatte das grüne Bezirksamt nach Tagen des Abwartens einen Räumungsbefehl ergehen lassen. Die Polizei zögerte aber mit dem Einsatz, da einige Schulbesetzer gedroht hatten, sich im Falle einer Räumung vom Dach zu stürzen.

Das fürchteten auch die Grünen, die ja das Signal zur Räumung gegeben hatten. Der Antrag war nicht von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann direkt gestellt worden, sondern vom grünen Baustadtrat Hans Panhoff.

Verhandlungen in Schule

Dieser versuchte dennoch am Mittwoch mit den Flüchtlingen zu verhandeln, und ihnen eine Lösung anzubieten. Auch Hans-Christian Ströbele, der grüne Direktkandidat für den Bundestag in Kreuzberg, schaltet sich ein und ging in die Schule, um Gespräche zu führen.

Am späten Abend gelang dann der Durchbruch. Bezirk und Flüchtlinge einigen sich auf einen Kompromiss. Wer in der ehemaligen Schule Unterschlupf gefunden hatte, darf dort auch bleiben. Der Bezirk wird die Renovierung des Gebäudes in Angriff nehmen, für mehr Duschen und einen Sicherheitsdienst sorgen.

Die Flüchtlinge werden nicht nach dem Ende der Besetzung nicht wegen eines Verstoßes gegen das Aufenthaltsrecht verfolgt. Nicht zugesagt wurde ihnen jedoch das von ihnen geforderte dauerhafte Aufenthaltsrecht in Deutschland.

Nachdem beide Seiten die Vereinbarung unterschrieben hatten, erklärte ein Sprecher der Gruppe, die sich im Haus aufgehalten hatte: „Wir werden das Haus teilen. Wir reichen der Politik die Hand. Wir sind müde und wir unterschreiben unter Druck.“

Grüne unter Druck

Für die Berliner Grünen war die Lage in den vergangenen Tagen zu einer großen Belastung geworden. Sie stritten untereinander, ob  der Räumungsbefehl richtig war. Die grüne Landtagsabgeordnete Canan Bayram griff den Grünen-Stadtrat Panhoff scharf an und erklärte: "Der Umstand, dass der Stadtrat der Meinung ist, dass die Polizei eher in der Lage ist, die Situation in den Griff zu bekommen, als demokratisch legitimierte Mandatsträger, wirft die Frage auf, ob er seinem Amt gewachsen ist." Panhoff rechtfertigte sein ursprüngliches Vorgehen, nämlich die Polizei um Räumung zu ersuchen, so: „Was ich tue, tue ich mit dem Mut der Verzweiflung."

Auch die grüne Partei des Bezirks Kreuzberg ging auf Distanz  und hielt in einer Erklärung fest: "Wir lehnen eine gewaltsame Räumung der Schule ab. Eine solche ist schon allein wegen der glaubhaften Suizidankündigungen der verbliebenen Flüchtlinge schlicht nicht zu verantworten." (Birgit Baumann aus Berlin, APA, DER STANDARD, 3.7.2014)