Sharon Jones mit der Daptone

Soul Revue.

Foto: Christian Fischer

Charles Bradley hat es geschafft. In der Welt und in Wien. Der Soulsänger hat in den letzten Jahren eine Karriere gemacht, die sich anhand seiner Auftritte beim Wiener Jazzfest nachvollziehen lässt. Vom ersten, lieblos in den Rathausvorplatz gemischten Gratisauftritt (2011) über den heißen Clubauftritt im Wuk (2012) bis zur Adelung in der Staatsoper am Mittwoch. Dort war der spätberufene 65-Jährige im Rahmen der Daptone Soul Revue zu erleben.

Diese Keimzelle im Zeichen des klassischen Soul hat in den letzten zehn Jahren wesentlich zum Revival dieser Musik beigetragen. Mit Bradley und Sharon Jones verfügt es über zwei Stars, die auf der ganzen Welt die Häuser füllen. Höchste Zeit also, mit einer Soul Revue auf Tour zu gehen. Derlei Ansinnen haben ihre Wurzeln ebenfalls in der Ära des klassischen Soul der 1960er-Jahre. Stars und Sternchen des Genres wurden gemeinsam auf Tour geschickt, um in kurzen Livesets ihre besten Songs zu präsentieren.

Zeichen auf Ekstase

Legendär wurde die Revue des Stax-Labels. Als die aus Memphis kommenden Musiker 1967 in London aus dem Flieger stiegen, wurden sie von tausenden hysterischen Fans begrüßt, die Beatles hatten Limousinen geschickt. Bis dahin hatten sie keine Ahnung, welche Wirkung sie auf die Welt ausübten.

Selbst in der Staatsoper standen die Zeichen auf Ekstase. The Sugarman 3 charmierten mit Instrumental-Soul in Fluchtautotempo, Charles Bradley riss sich das Herz aus der Brust, warf sich mit großer Geste auf den Boden und schmachtete knietief durch die Seeelenpein des Soul. Antibalas führten der Oper mitreißenden Afrobeat zu. Diese Auftritte allein hätten bereits einen exzellenten Abend bedeutet.

Dann aber betrat Sharon Jones die Bühne und ließ den Deckel endgültig hochgehen. Die 58-jährige Sängerin ist der Star des Labels. Mit den Dap-Kings als Backing Band nahm sie die Bude im Sturm. Hätte sie es nicht thematisiert, man hätte kaum glauben können, dass sie sich im Vorjahr einer Krebsoperation samt Chemotherapie unterziehen musste.

Nun gilt sie als geheilt, entsprechend feierte sie diesen Umstand. Ihr Konzert glich stellenweise einer Messe. Wobei sie weniger dem Überirdischen huldigte, sondern diesseitiger Lebensfreude. Für Fans in der ersten Reihe gab es Zwickerbussis, war Misses Jones nach Gesellschaft, angelte sie sich Tänzerinnen und Tänzer aus dem willigen Publikum.

Mehr als ein Kraftwerk

Im Hintergrund spielten derweil die Dap-Kings unter Leitung von Labelchef Gabe Roth den schärfsten Soul des Planeten. Jones tanzte das "Funky Chicken", sang die Selbstbehauptungshymne "Nobody's Baby" oder meditierte über so profanes wie "New Shoes". Die Bläser begleiteten sie im Gleichschritt, die Gitarristen pflegten Minimalismus zwischen Rockabilly und Surf, die Rhythmusabteilung zauberte.

Sharon Jones als Kraftwerk zu bezeichnen wäre unfair – Kraftwerken gegenüber. Schon ihr erster Wiener Auftritt vor vielen Jahren in einer Brauerei glich einem Manifest der Energie. Mittlerweile ist das Hipsterkaro ihrer Mitstreiter gepflegtem Tuch gewichen, auch Bradleys Band trägt heute Anzüge statt Cowboyhemden – die Musik ist ungebrochen intensiv.

Familienfeier, Familienfotos

Am Ende kam, was kommen musste. Jones bat die Daptone Gang auf die Bühne. Bradley gesellte sich neben sie ans Mikro und versicherte dem Saal noch einmal seine Liebe. Im Rücken hatten die beiden an die 25 Musiker am Anschlag. Das Konzert war zu diesem Zeitpunkt eine durchgeknallte Familienfeier. Fotos wurden vor und auf der Bühne geschossen. Vonseiten der Sippe unterstrich man das mit einer Interpretation von Sly Stones "It's A Family Affair". Mehr gab's nicht zu sagen. Ein Traum. (Karl Fluch, DER STANDARD, 2.7.2014