Bild nicht mehr verfügbar.

Der Plenarsaal des EU-Parlaments in Straßburg - auch in den nächsten Jahren der Arbeitsplatz von Martin Schulz.

Foto: EPA / PATRICK SEEGER

Alle fünf Jahre kommt sie wieder, meist in der ersten Juliwoche - und ist für die meisten Beteiligten immer wieder ein beeindruckendes Erlebnis: die konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments am Hauptsitz in Straßburg.

An keinem Ort in Europa zeigt sich die kulturelle Weitläufigkeit und politische Vielfalt der Union so sehr wie am ersten Plenartag nach der EU-Wahl, wenn die Abgeordneten aus 28 Ländern mit ihren Mitarbeitern in der alten Europastadt im Elsass zusammenströmen. Aber es bildet sich auch die schiere Größe der Gemeinschaft ab. 751 Abgeordnete gibt es. Sie vertreten insgesamt 507 Millionen Bürger; gehören insgesamt 186 Listen und Parteien an.

Blättert man durch die jüngsten Statistiken des Parlaments, lassen sich einige Superlative finden: So ist der älteste Mandatar, der Grieche Emmanouil Glezos, 91 Jahre alt. Er hat für die Syriza kandidiert und wird auch Mitglied der Linksfraktion werden, einer von sieben Fraktionen insgesamt, die mit 52 Abgeordneten die Grünen (50) auf Platz sechs verdrängt hat.

Glezos ist in seiner Heimat ein Nationalheld, berühmt dafür, dass er 1941 die Hakenkreuzfahne vom Dach der Akropolis geholt hat. Europäische Geschichte.

Neun Expremiers im Parlament

Man wird auch kaum ein Parlament auf der Welt finden, in dem neun ehemalige Premierminister sitzen, und noch mehr ehemalige Minister. Der Pole Jerzy Buzek, der Belgier Guy Verhofstadt oder die Finnin Anneli Jäätteenmäki sind Beispiele für Ex-Regierungschefs. Sie werden im Kuppelsaal auf sieben EU-Kommissare treffen, die nun ein Abgeordnetenmandat bekommen haben; darunter die für Justiz zuständige Viviane Reding aus Luxemburg oder Außenhandelskommissar Karel de Gucht. Aus Österreich gibt es keinen EU-Abgeordneten mit vergleichbarer politischer Erfahrung. Othmar Karas (VP) gehört nach dem Ausscheiden von Hannes Swoboda (SP) nun zu den "Urgesteinen", hat er doch seit 1999 ein EU-Mandat.

Interessant ist auch, dass der Frauenanteil jetzt 37 Prozent betragen wird, seit zwanzig Jahren ständig steigend: Damit hat das Parlament beinahe jene Quote von 40 Prozent erreicht, die sie auch von der neuen EU-Kommission verlangt. Fast genau die Hälfte der EU-Abgeordneten sind neu in Straßburg. 50,6 Prozent beginnen eine weitere Legislaturperiode.

Für den Deutschen Elmar Brok (CDU) etwa, der 1979 bei der ersten Direktwahl in Straßburg einzog, ist es die achte Legislatur. Er wird als eines der politischen Schwergewichte den außenpolitischen Ausschuss leiten.

Keine FPÖ-Rechtsfraktion

Angesichts der Komplexität ist die Konstituierung, die Aufteilung aller Funktionen und Ausschüsse, eine organisatorische Schwerarbeit. Es wird - nach dem Scheitern der Rechtsfraktion mit Front National und FPÖ - sieben Fraktionen geben. Zum alten und neuen Präsidenten wird heute, Dienstag, der SPD-Mann Martin Schulz gewählt werden, der Spitzenkandidat von Europas Sozialdemokraten. Die Amtszeit des Präsidenten wird aber "geteilt", Anfang 2017 kommt ein Nachfolger aus dem Lager der Christdemokraten. Karas - bisher Vizepräsident - rechnet sich Chancen aus.

Ranghöchste Österreicherin bei den EU-Abgeordneten dürfte die Grüne Ulrike Lunacek werden: Sie kandidiert als eine der 14 Vizepräsidenten von Schulz. (Thomas Mayer aus Straßburg, DER STANDARD, 1.7.2014)