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Ab 2015 bekommt Deutschland als 21. EU-Land einen Mindestlohn. Um die geplanten 8,50 Euro pro Stunde wird jedoch noch bis kurz vor der Verabschiedung im Bundestag gerungen.

Foto: AP/Daniel Maurer

An großen Worten mangelt es nicht. "Das ist eine Sozialreform von historischem Ausmaß", schwärmt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mit Blick auf jenen Beschluss, den der Deutsche Bundestag am Donnerstag fassen will. Als 21. Land in Europa wird Deutschland den gesetzlichen Mindestlohn einführen.

Ab 1. Jänner 2015 soll es nicht weniger als 8,50 Euro pro Stunde für Arbeitnehmer geben. Dafür hatte sich die SPD im Bundestagswahlkampf 2013 starkgemacht. Und Kanzlerin Angela Merkel, die ursprünglich gegen fixe Lohnuntergrenzen war, musste bei den Koalitionsverhandlungen erkennen: Wenn sie beim Mindestlohn nicht nachgibt, dann bekommt sie die SPD nicht ins Koalitionsboot.

Doch nun, auf der Zielgeraden vor dem parlamentarischen Beschluss, verstärken Gegner und Befürworter des Mindestlohns noch einmal ihre Interventionen, um in letzter Minute noch Änderungen durchzusetzen.

Abweichungen möglich

Grundsätzlich sieht der Gesetzesentwurf Folgendes vor: Der Mindestlohn gilt ab 1. Jänner 2015. Bis 31. Dezember 2016 sind Abweichungen möglich. So haben sich etwa die Kollektivvertragspartner in der Fleisch verarbeitenden Industrie und der Friseurinnung darauf geeinigt, bis 2017 noch weniger als die 8,50 Euro auszuzahlen. 2017 jedoch müssen alle Arbeitgeber verbindlich die 8,50 Euro überweisen.

Doch keine Regel ohne Ausnahmen: Auch nach 2017 werden Langzeitarbeitslose, wenn sie wieder einen Job bekommen, in den ersten sechs Monaten nicht den Mindestlohn erhalten. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will so die Schwelle für eine Wiederanstellung senken.

"Brutal amputiert"

Unter 18-Jährige bekommen auch keine 8,50 Euro pro Stunde, damit sie nicht von einer niedriger oder gar nicht entlohnten Ausbildung abgehalten werden, ehrenamtlich Tätige sind ebenso ausgenommen wie Praktikanten.

Am Freitag hat sich die Koalition noch darauf geeinigt, Ausnahmen für Zeitungszusteller und Saisonarbeiter zuzulassen. Arbeitgeber dürfen Kost und Logis für Erntehelfer auf die 8,50 Euro anrechnen.

Die Gewerkschaften sind mit den Ausnahmen höchst unzufrieden. "Die Koalition hat den Mindestlohn brutal amputiert", klagt der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske.

"Willkür von Hungerlöhnen"

CDU, CSU und SPD verweigerten mindestens drei Millionen Menschen die 8,50 Euro pro Stunde, und diese Ausnahmen träfen ausgerechnet die Schwächsten am Arbeitsmarkt. Sie würden weiterhin "der Willkür von Hungerlöhnen" ausgesetzt.

"Wir werden bis zur letzten Stunde dafür kämpfen, dass es keine Ausnahmen geben wird", sagt DGB-Chef Rainer Hoffmann. Verhandelt werde bis Donnerstag.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi findet die Kritik "völlig überzogen" . Für mindestens 3,7 Millionen Beschäftigte in Deutschland bedeute der Mindestlohn künftig "eine bislang nicht gekannte Absicherung".

Kritik kommt auch von der anderen Seite. Wirtschaftspolitiker von CDU und CSU lehnen den Mindestlohn ab. Der CSU-Abgeordnete und frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer sagt zahlreiche Neinstimmen aus der Unions-Fraktion für den Donnerstag voraus: "Das Gesetz geht nach wie vor wirtschaftspolitisch in die falsche Richtung, deshalb werden viele Wirtschaftspolitiker der Union nicht zustimmen." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 1.7.2014)