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Im Elferdrama ein Rückhalt: Julio Cesar.

Foto: apa/coelho

Belo Horizonte - Julio Cesar schämte sich seiner Tränen nicht. Mit roten Augen stand der brasilianische Fußball-Teamgoalie nach dem Achtelfinal-Krimi gegen Chile beim Fernsehinterview und wischte sich übers Gesicht. "Vor vier Jahren, da war ich sehr traurig. Jetzt weine ich wieder - aber vor Glück. Nur Gott und meine Familie wissen, was ich durchgemacht habe", sagte der völlig aufgelöste Keeper.

Der 34-jährige Routinier war im Estadio Mineirao von Belo Horizonte zur Höchstform aufgelaufen. Zweimal parierte er im Elfmeterschießen gegen Mauricio Pinilla und Alexis Sanchez, beim letzten Schuss von Gonzalo Jara an die Stange musste er nicht mehr eingreifen. Und dann brüllte er seinen Triumph hinaus, ehe seine Mitspieler ihn jubelnd umrissen. "Das Match hat gezeigt, dass man, wenn man einen Traum hat, den verfolgen muss und nie aufgeben darf", betonte Cesar. Spielgestalter Neymar bezeichnete den "Man of the Match" als "Phänomen. Er ist da, wenn man ihn braucht."

Ein Patzer in Südafrika

Vor vier Jahren hatte Julio Cesar noch bei der WM in Südafrika mit hängendem Kopf den Platz verlassen - und mit Tränen der Enttäuschung. Im Viertelfinale gegen die Niederlande lag Brasilien mit 1:0 vorne, dann patzte der Schlussmann beim Ausgleich durch Wesley Sneijder, dem später noch der Siegestreffer gelang.

Am Tag danach wollte er seine Karriere beenden: "Ich konnte nicht aufhören zu denken: Warum ist das passiert? Warum sind wir ausgeschieden?" Er habe viel Beistand von seiner Familie und engen Freunden gebraucht. Dann habe er sich ein Beispiel an Rocky Balboa genommen und sei mit Kampfgeist zurückgekehrt.

Nach seinem Coup gegen Chile meinte Julio Cesar strahlend: "Ich bin super glücklich. Ich hoffe nur, dass die nächsten Spiele nicht im Elfmeterschießen entschieden werden. Sonst kriegen meine Angehörigen noch einen Herzinfarkt."

Kanadisches Exil

Beim erfolgreich absolvierten Confederations Cup im letzten Jahr stand Julio Cesar wieder zwischen den Pfosten der Selecao, Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari vertraute ihm. Doch im Klub, dem englischen Zweitligisten Queen Park Rangers, war er nicht erste Wahl. In einer Verzweiflungsaktion wechselte Julio Cesar somit im Winter zum Toronto FC - ins Fußball-Niemandsland Kanada. Mit nur sieben Pflichtspielen reiste er zur Endrunde an.

"Wenn du gut vorbereitet und konzentriert bist, macht es nichts, wenn du nicht viele Klubspiele hast", erklärte er dieser Tage. "Ich habe mich sehr auf diese WM vorbereitet. Das Wichtigste war, dass ich mir vertraut habe und dass ich hart gearbeitet habe."

"Was haben sie nicht alles über den Verein von unserem Torhüter gesagt und geschrieben. Und jetzt hat er allen das Maul gestopft und gezeigt, dass er es noch kann", sagte Superstar Neymar mit einem zufriedenen Grinsen.

Geöffnete Schleusentore

Cesars dritte Endrunde soll noch weitergehen - am besten bis zum 13. Juli: "Meine Geschichte in der Selecao ist noch nicht zu Ende. Wir haben noch nichts gewonnen, aber dieser Erfolg gibt viel Kraft".

Die größten Momente in seinem Leben haben mit Fußball jedoch nichts zu tun: Die Hochzeit mit Susana Werner und die Geburt seiner zwei Kinder. "Aber ich habe noch Platz in meinem Herzen für solche Momente", sagte er nach dem aufregendsten Spiel seiner Karriere. Dann nahm er die Trophäe für den "Man of the Match" entgegen und sagte: "Entschuldigt bitte, dass ich soviel rede. Aber ich habe das alles vier Jahre mit mir herumgeschleppt." (APA/red - 29.6. 2014)