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Auch am letzten Tag bildeten sich vor den inoffiziellen Wahllokalen noch Schlangen.

Foto: REUTERS/Tyrone Siu

Hongkong - Zehntausende Hongkonger haben am Dienstag für mehr Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungsregion demonstriert. Der alljährliche Protestmarsch am Jahrestag der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie am 1. Juli 1997 entwickelte sich zu einer der größten Demonstrationen in Hongkongs Geschichte. Regierungschef Leung Chun-ying warnte vor Chaos.

"Wir sollten alles vermeiden, was Hongkongs Stabilität und Wohlstand untergraben könnte", sagte Leung in einer Rede zur morgendlichen Flaggenzeremonie am Jahrestag.

In versöhnlichen Tönen versprach der Regierungschef den sieben Millionen Hongkongern, "unser Möglichstes zu tun", um Konsens über die umstrittene Wahlreform herzustellen. Die Stimmung ist aufgeheizt, weil die kommunistische Führung in Peking zwar 2017 erstmals eine Direktwahl des Regierungschefs von Hongkong zulassen, aber weiter die Auswahl der Kandidaten kontrollieren will.

Am 1. Juli gingen bereits Tausende auf die Straße
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Großaufgebot der Polizei

Der Marsch führte vom Victoria-Park in den Finanzdistrikt Central. Mit 4000 Beamten hatte die Polizei das größte Aufgebot seit den Ausschreitungen 2005 bei der Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in dem asiatischen Finanz- und Handelszentrum mobilisiert. Zwei Studentengruppen planten über Nacht eine Sitzblockade im Finanzdistrikt, um für die in den nächsten Monaten angedrohte Besetzung durch die Occupy-Central-Bewegung "zu üben".

Die Organisatoren des Protestmarsches forderten ein umfassendes und freies Wahlrecht. "Wir haben kein Vertrauen in die Zentralregierung, aber in das Volk, dass es aufbegehrt", sagte ein Sprecher. Die Demonstranten protestierten auch gegen ein jüngstes Weißbuch, mit dem die Pekinger Führung ihre Kontrolle über die Sonderverwaltungsregion bekräftigt und Vaterlandsliebe der Hongkonger eingefordert hatte.

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Auf Plakaten forderten Demonstranten "Hände weg von Hongkong". "Die Leute sind äußerst verärgert und glauben, dass sich ihre Rechte seit der Rückgabe 1997 verschlechtert haben", sagte der Abgeordnete Albert Chan von der oppositionellen People Power Partei der dpa. "Sie sind gekommen, um ihre Besorgnis zum Ausdruck zu bringen und fordern so schnell wie möglich ein freies Wahlrecht."

In dem Weißbuch hieß es, Hongkong genieße als Sonderverwaltungszone zwar besondere Freiheiten, habe aber keine volle Autonomie. Das Positionspapier warnte vor Einmischung "ausländischer Kräfte" in innere Angelegenheiten Chinas. Es forderte auch von Richtern in Hongkong eine "patriotische Haltung" als grundlegende politische Anforderung, was Sorgen über die Unabhängigkeit der Justiz auslöste.

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Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" wird Hongkong als eigenes Territorium autonom regiert und genießt - anders als der Rest Chinas - auch Rede- und Versammlungsfreiheit. Die Großdemonstration erfolgt nur zwei Tage nach dem Ende eines inoffiziellen Referendums, in dem fast 800.000 Hongkonger oder ein Fünftel der Wahlberechtigten mehr Demokratie und eine öffentliche Nominierung der Kandidaten für die Wahl zum Regierungschef gefordert hatten.

88 Prozent der Teilnehmer forderten das - nicht frei gewählte - Hongkonger Parlament auf, jede Wahlreform abzulehnen, die nicht internationalen Demokratie-Standards entspreche. Peking verurteilte das Votum als "illegal und ungültig". Mit dem Streit ist das Vertrauen der Hongkonger in die Pekinger Führung auf einen Tiefstand gefallen, wie die Hongkong Universität in einer Umfrage feststellte. 44 Prozent von 813 Befragten sagten, dass sie Peking nicht trauten - der höchste Anteil seit Beginn der Erhebung 2009.  (APA, red, 1.7.2014)