Ins Grüne führt mitunter eine Stiege - und manchmal liegt diese inmitten des Büroalltags.

Foto: Formingruen

Was darf's denn sein? Ein bisschen Aglaonema, ein Philodendron scandens und obendrauf ein paar Büschel Farn? Wir befinden uns keineswegs in einer Gärtnerei, sondern im Büro, und die Pflanzen sollen nicht in einen Blumenstrauß gesteckt werden, sondern vertikal aus der Wand herauswachsen.

Zugegeben: Das ist nicht ganz neu - Microsoft etwa hat schon vor drei Jahren seine Wiener Konzernzentrale begrünt -, nun kommt der Trend aber zunehmend bei kleineren Unternehmen an, berichtet Johannes Leitner, Geschäftsführer des steirischen Unternehmens Formingruen, das sich auf die vertikale Begrünung spezialisiert hat.

Er spricht von einer regelrechten "Aufbruchsstimmung", denn die Vorzüge des Arbeitens mit Naturanschluss haben sich mittlerweile herumgesprochen: Begrünte Wände sind eine natürliche Klimaanlage, erklärt Leitner. Bei der Kühlung könnten so bis zu 30 Prozent eingespart werden. Und: Sattgrüne Wandflächen sollen auch für die Gesundheit der Mitarbeiter förderlich sein. Er erzählt von Studien, die belegen, dass sich dadurch die Krankenstände der Angestellten um bis zu fünf Prozent verringern lassen. "Grün beruhigt", bestätigt Gerold Steinbauer, Vorstandsvorsitzender des Verbands für Bauwerksbegrünung. Auch Dach- und Fassadenbegrünungen würden sich positiv auf das Raumklima auswirken.

Selbst der Großstadt würde das guttun: Durch Begrünungen im Außenbereich könnten Überschwemmungen nach Platzregen reguliert werden - der Regen wird nämlich zu einem Großteil aufgenommen und dann erst nach und nach abgegeben - und die Temperatur in der innerstädtischen Betonwüste gesenkt: "Und das alles ist gratis."

500 m² Wandgarten in Wien

Die Begrünung selbst hat freilich ihren Preis. Ab 600 Euro pro Quadratmeter verlangt Leitner für seine vertikalen Begrünungen. Sieben Jahre lang hat er an seinem Modulsystem gearbeitet. Mittlerweile werden von seinem Unternehmen aber auch vertikale Gärten mit einer Größe von bis zu 800 Quadratmetern in Baku begrünt.

Das Prinzip ist immer das gleiche: Pro Quadratmeter werden 32 Pflanzen eingesetzt und dann in eine Fassadenunterkonstruktion gehängt, erklärt er. Als Material verwendet er hauptsächlich Lavasand, weil es ein offenporiges Material sei, das Wasser besonders gut speichern kann. Pro Modul gibt es einen Membranschlauch, der für unauffällige Bewässerung sorgt - das Ganze funktioniert computergesteuert.

Alle drei Monate müssen die "hängenden Gärten" gewartet werden - und das läuft eigentlich nicht so viel anders als das horizontale Garteln: Die Pflanzen werden geschnitten und gedüngt, und die Bewässerungstechnik wird justiert. Manchmal würden auch Mitarbeiter der jeweiligen Unternehmen ihren grünen Daumen entdecken und das selbst übernehmen, so Leitner.

Mit den beiden Projekten in Baku kann es zwar nicht mithalten, doch auch in Österreich gibt es Großprojekte für Leitner: 500 Quadratmeter begrünt er momentan in der Konzernzentrale der ÖBB am neuen Wiener Hauptbahnhof - vom 4. bis zum 23. Stock. Seit März wird daran gearbeitet, bis August soll alles fertig sein. Bei vertikalen Gärten im Innenbereich würden meist tropische und subtropische Pflanzen verwendet werden. Beim ÖBB-Projekt kämen zwischen 18 und 22 verschiedene Pflanzen zum Einsatz, darunter viel Farn.

Grünflächen am Dach

Bei Fassaden- und Innenraumbegrünung handle es sich momentan um einen Modetrend, sagt Steinbauer. Er warnt davor, auf den falschen Anbieter zu setzen. Gerade bei der Innenraumbegrünung sollte man sich die Anbieter genau anschauen und deren Referenzen überprüfen. "Grundsätzlich gilt: Wenn mit Oberbodengemisch, etwa der Erde vom Acker, gearbeitet wird, dann ist Vorsicht geboten." Man benötige nämlich Substrate - "und das muss genau abgewogen sein". Die Önorm dafür werde oft nicht beachtet. Ein mögliches Resultat: Die Begrünung "ersäuft", weil sie den Regen nicht aufnehmen kann.

Es gebe mittlerweile viele unterschiedliche Systeme am Markt, sagt Leitner, der gerade an einem neuen Modul arbeitet, mit dem großflächige Fassaden schneller begrünt werden können. Nächstes Jahr kommt es auf den Markt.

Eine Begrünung der Außenflächen ist immer möglich, so Leitner, solange die Pflanzen auf die Verhältnisse am jeweiligen Breitengrad abgestimmt sind. Schwieriger sei es da im Indoorbereich: "Pflanzen brauchen eben ein gewisses Maß an Licht." Seine Vorgabe: mindestens 1000 Lux. "Wenn das nicht möglich ist, dann können wir auch keine Vertikalbegrünung durchführen." (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 28.6.2014)