Verlieren Bäume und Sträucher im Herbst ihre Blätter, gelangen auf diesem Weg organische Kohlenstoff-Verbindungen aus dem Umland in die Gewässer. Deutsche Forscher konnten nun erstmals den Weg des Kohlenstoffs ins aquatische Nahrungsnetz und wieder zurück an Land verfolgen. Dem Team vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) ist es damit gelungen, eine Lücke im Kohlenstoffkreislauf zu schließen.
Hinsichtlich partikulären organischen Kohlenstoffs (POC) galten Gewässer lange Zeit als in sich geschlossene Systeme. Nun gelang es den Wissenschaftern, den genauen Weg des POC vom Umland ins Gewässer und wieder zurück zu verfolgen und damit nachzuweisen, dass die Nahrungsnetze im Wasser und an Land miteinander verbunden sind.
Geteilter See
Bäume am Ufer eines Sees bringen über fallendes Laub Kohlenstoffverbindungen vom Land ins Gewässer. Um die Auswirkungen dieses terrestrischen Kohlenstoffs auf das Leben im Wasser zu untersuchen, führten die Forscher ein Großexperiment durch. Dafür wurden zwei kleine Seen im Norden Brandenburgs mit Planen geteilt. In jeweils einer Hälfte der Seen erhöhten die Wissenschafter künstlich den Eintrag an partikulärem organischem Kohlenstoff mit Hilfe von Maisblättern. Diese können von Kleinstlebewesen zwar genauso verwertet werden wie Wasserpflanzen, jedoch lässt sich der POC durch Analysen der Kohlenstoffisotope von anderen Nahrungsquellen unterscheiden. Insgesamt nahmen die Wissenschafter während drei Jahreszeiten etwa 800 Proben verschiedener Wasserlebewesen aus den Seehälften.
Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass terrestrischer POC zunächst direkt von wirbellosen Tieren am Gewässerboden und anschließend über die Nahrungskette auch von Fischen aufgenommen wird. "Dies geschieht vornehmlich an den pflanzenreichen Gewässerrändern klarer Seen", erklärt Thomas Mehner vom IGB. "Im uferfernen Freiwasser – wo die Blätter schnell ins tiefe Wasser herabsinken und folglich als Nahrung nicht mehr zur Verfügung stehen, wird der Kohlenstoff nicht verwertet." Aus diesem Grund haben viele Gewässer eine Speicherfunktion für Kohlenstoff.
Zuckmücken tragen Kohlenstoff zurück ins Umland
Bei ihren Experimenten fanden die Forscher auch heraus, dass ein Teil des künstlich zugefügten Kohlenstoffs die Seen über schlüpfende Zuckmücken wieder verlässt. Sie verbringen ihr Larvenstadium im Wasser, kommen im Sommer zum Hochzeitstanz an Land und werden dort Beute von Spinnen. So schließen sie den Kreis zurück ins terrestrische Nahrungsnetz. Damit konnte das IGB-Team nicht nur nachweisen, dass organischer Kohlenstoff terrestrischen Ursprungs bis in die höchste aquatische Nahrungsnetzebene gelangt, sondern über Wasser-Land-Lebewesen wie die Zuckmücke teilweise ins Umland zurückkehrt. (red, derStandard.at, 29.06.2014)