Es ist ein seltsames Gefühl, fast zwei Jahre an einem Drehbuch zu arbeiten und bei Drehbeginn mit einem Mal vor der Tatsache zu stehen, täglich an sich selbst erinnert zu werden. Ein Team von 40, 50 Menschen arbeitet zwölf bis 18 Stunden daran, dass eine erfundene Erinnerung ein reales Gedächtnis wird. Der Film heißt "Superwelt" und erzählt die Geschichte einer 50-jährigen Supermarktkassierin, deren simples Leben durch die Begegnung mit Gott auf den Kopf gestellt wird.

Versuch über Gott

Dieser Film hat nichts mit Religion zu tun. Ich sage das nicht zu meiner Verteidigung (oder zur Verteidigung irgendeiner Religion), ich sage das der Vollständigkeit halber. "Superwelt" ist ein Versuch über Gott – einen Gott, wie ich ihn mir vorstellen möchte, wie ich ihn mir wünsche. Ich bin christlich-evangelisch getauft, war in meiner Kindheit aber auch aushilfsweise Ministrant bei den römischen Katholiken.

Bei der Motivsuche.
Karl Markovics

Mein bester Freund hatte mich dort eingeschleust. Ich fand es damals eine schöne Abwechslung, vom einfachen Zuhörer einer nüchternen protestantischen Predigt (wohin mich meine Großmutter jeden zweiten Sonntag mitnahm) zum Mitwirkenden einer vergleichsweise opulenten Veranstaltung mit Licht-, Rauch- und Toneffekten aufzusteigen und nebenbei (Stichwort: Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen) auch noch Trinkgeld zu bekommen.

Worum geht es?

Aber zurück zu meinem Film und zu den vermutlich am häufigsten gestellten Fragen, deren Beantwortung in diesem Blog mir hoffentlich viele zukünftige Interviews ersparen wird (wer's glaubt, wird vermutlich selig).

Frage eins der am häufigsten gestellten Fragen über meinen neuen Film: "Herr Markovics, wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Stoff?"

Markovics: "Eines Tages beobachtete ich eine Supermarktkassierin wie sie, offenbar ganz in Gedanken versunken, nach unten griff und eine Flasche Allzweckreiniger aus der Tiefe ihrer Kassenkonsole hervorholte. Sie besprühte das Laufband mit dem Reinigungsmittel, riss ein paar Lagen von einer Küchenrolle ab, setzte das Laufband in Bewegung und presste das Papier der Küchenrolle darauf, um das Band zu reinigen. Dabei schaute sie die ganze Zeit ins sogenannte Narrenkastl ('In eine Ferne, wohin ihr keiner folgen konnte', würde Alfred Polgar sagen). Sie sah aus, als hörte sie jemandem ganz aufmerksam zu. Sich selbst vielleicht? Über diesen Menschen wollte ich eine Geschichte erzählen - eine Geschichte über das Banalste und das Besonderste." (Karl Markovics, derStandard.at, 27.6.2014)