Man kann es gar nicht oft genug sagen: Österreich hat schützenswerte Traditionen. Das sieht auch die heimische Unesco-Kommission so, die jüngst ihr "Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes" erweitert hat. Dazugekommen sind etwa Sensenschmieden und die Erzeugung von Maultrommeln in Molln, oder Moritatengesang ("Traunkirchner Mordsgschicht") und "Wissen um traditionellen Samenbau" (in allen Bundesländern).

77 Traditionen sind schon verbüchert, viele weitere könnten folgen. Wenn schon das "vom Bänkelsänger ... vorgetragene Lied schauerlichen oder rührseligen Inhalts" (so definiert der Duden die Moritat), wenn schon das Wiener Dudeln (ist wie Jodeln) zum Kulturerbe erhoben sind - warum nicht auch außenpolitisches Anbiedern? Vielleicht unter der Beschreibung: Wir reden mit jedem, so lange es sich wirtschaftlich zu rentieren scheint.

Erhaltenswert wäre auch schriftliches Lavieren, wie es die Notenbank OeNB ganz gut beherrscht. Ob euphemistische Bank-Benotung ("non distressed" für die strauchelnde Hypo) oder schmeichelweiche Umschreibungen, wenn die Regierung aus mündelsicheren Papieren wertlosen Junk macht (die OeNB sieht darin "eine gewisse Aufweichung"): alles eine Kunst, alles erhaltenswert.

Nur eins könnnen wir nicht mehr zum Kulturerbe erheben lassen: das Märchenerzählen. Das ist schon geschützt. In allen Bundesländern. (Renate Graber, DER STANDARD, 25.6.2014)