"Am Montag fraß sie sich durch einen roten Apfel, aber satt war sie noch immer nicht":  Mehr als 30 Millionen Exemplare von" Die kleine Raupe Nimmersatt" wurden bisher verkauft.

Foto: Gerstenberg Verlag

Eric Carle begann als Grafikdesigner bevor er ins Kinderbuch-Fach wechselte.

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Carles jüngster Streich: "Freunde".

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Alles fing mit einem Hummer an: Weil dem Kinderbuchautor Bill Martin der gemalte Krebs eines New Yorker Werbedesigners gefiel, bat er ihn, sein Buch "Brauner Bär, wen siehst denn Du?" zu illustrieren. Der Mann tat es - und begründete mit 38 Jahren seine Weltkarriere als Kinderbuchautor. Eric Carles größter Erfolg ist sicherlich "Die kleinen Raupe Nimmersatt". Am Mittwoch wird er 85.

Carle wurde am 25. Juni 1929 in Syracuse im Nordosten der USA geboren, die Eltern waren Deutsche - zu Hause wurde also Deutsch gesprochen. 1935, als er sechs war, kehrten seine Eltern nach Deutschland zurück - und bereuten es bitter. Der Vater musste für Nazi-Deutschland in den Krieg ziehen und kehrte aus russischer Gefangenschaft als Wrack heim.

Schmerz und Erniedrigung

Für den kleinen Eric war Deutschland ein Schock: "In Syracuse hat meine geliebte Lehrerin Miss Frickey meinen Eltern gesagt, ich sei talentiert und sie sollten das unbedingt fördern", erzählte er einmal. "In Deutschland bekam ich von einem gemeinen, wütenden Lehrer in der ersten Woche drei "Tatzen" auf die ausgestreckte Hand. Der Schmerz und die Erniedrigung haben mein ganzes neues Leben überschattet."

Aber da war noch der Zeichenlehrer, der den Zwölfjährigen heimlich mit der Kunst vertraut machte, die offiziell "entartet" genannt wurde. Und das Studium: "Nach der verhassten Schule habe ich acht Semester bei Ernst Schneidler an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. Das waren die prägendsten und glücklichsten Jahre und ich werde immer dankbar sein."

Offensichtlich war das Studium auch erfolgreich. Denn nach Carles Rückkehr in die USA wurde er 1952 Grafikdesigner bei der "New York Times" und Art Director bei einer Werbeagentur. Da pinselte er eines Tages eben diesen Hummer, der Bill Martin auffiel. "Ich bin also eigentlich aus Versehen Kinderbuchillustrator geworden", sagt Carle heute.

Raupe und Schmetterling

Carle zeichnete die Tiere für Martin. "Was für ein anregendes Buch", schwärmt er noch fast ein halbes Jahrhundert später von den Texten Martins. "Ich war Feuer und Flamme. Man konnte also noch etwas ganz Besonderes machen, das Kindern die Freude zeigt, die man in Büchern finden kann." Das Buch wurde erst ein Erfolg und dann ein Klassiker. "Es hat mein Leben verändert: Ich wurde Autor und Zeichner von Kinderbüchern."

In seinem zweiten eigenen Buch ließ Carle eine Raupe sich durch alle möglichen Dinge futtern. Am Ende wurde aus der "Raupe Nimmersatt" ein wunderschöner Schmetterling - und ein Welterfolg. In fast 60 Sprachen wurde das Buch übersetzt, mehr als 30 Millionen Exemplare verkauft.

Handbemaltes Papier

Es folgten noch fast 70 Bücher. Carles Stil ist unverwechselbar. Er arbeitet gern mit handbemaltem Papier, das dann ausgeschnitten und arrangiert wird. Einfach Bücher mit Seiten sind seine Werke selten, fast immer versteckt sich - gefaltet, geschnitten, gebohrt oder geklebt - mehr darin. Sie sind immer eine Entdeckungstour.

Carles jüngstes Buch heißt "Freunde" und es ist eine Rückkehr. Es entstand, weil der Autor seit 82 Jahren ein Foto besitzt, darauf er und ein kleines Mädchen, aufgenommen 1932 von seiner Mutter. Carle war drei und mit 84 Jahren schrieb er "Freunde", weil er das Mädchen nie wiedersah. Das Buch wurde ein Erfolg - und von der Tochter des Mädchens gelesen. Dieses Mädchen ist mittlerweile 85 und hat jetzt wieder Kontakt mit dem kleinen Deutschen von damals. "Es war mein Osterwunder", sagt Carle. "Am meisten verblüfft mich ihr Nachname." Die Frau heißt "Trovato". Auf Deutsch heißt das "gefunden"! (APA/red, derStandard.at, 23.06.2014)