Theorie und Praxis zeichnen den Bildungsanspruch an Fachhochschulen aus. Fachhochschulen werden bei vielem von Universitäten beneidet, aber nicht als ebenbürtig erachtet.

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Alle Hochschul- und Forschungsinstitutionen fordern für sich mehr staatliche Mittel - weitgehend unbestritten. Aber Stagnation, die negative Entwicklungen einleitet, hat sich breitgemacht. Der Migrationssaldo von Hochschulabsolventen ist bereits besorgniserregend. Unser Land könnte bald ärmer werden.

Die staatlichen Mittel wurden kontinuierlich, aber immer schwächer angehoben. Es gibt einige punktuelle Ergänzungen und Verbesserungen der innovativen Gesetze der 90er-Jahre bis 2002. Die Autonomie wurde nicht zurückgebaut, aber auch nicht, was notwendig wäre, weiterentwickelt. Die wenigen Neuerungen sind zum krampfhaften Kompromiss gezwungene Lösungen.

Warum ist das so? Es kann kaum an der "großen" Koalition als solcher liegen. Eine frühere SPÖ-ÖVP-Regierung hat die Autonomieentwicklung mit dem UOG 93 eingeleitet, das Gesetz für die Fachhochschulen 1993 beschlossen und mit der Umsetzung der Bologna-Erklärung, die wesentlich von Österreich geprägt wurde, bereits 1997 begonnen. Anfänglich gab es nur Widersprüche, heftige Auseinandersetzungen und Ablehnung. Doch hartnäckiges, zielorientiertes Argumentieren und die Bereitschaft zu entscheiden, führten zu Ergebnissen, die in Europa als beispielgebend angesehen werden.

Was steht an? Die neue politische Kultur eines nicht mehr hoheitlichen, sondern partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen den staatlichen Organen und den hohen Schulen ist noch nicht heimisch geworden. Die staatliche Steuerung durch Verträge, die Entfaltung einer staatlichen Strategie existiert nur in Ansätzen.

Die Universitäten zeigen zu selten Mut zur Selbstständigkeit. Das rationale Aushandeln und Entscheiden mit Verantwortung ist noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden. Zu viel eigene neue Verwaltung, zu viele nicht relevante Daten, die oft Entscheidungen zu erzwingen scheinen und die früheren Rechtsvorschriften als Anleitung zum Handeln ersetzen. Die Position der Bachelor-Absolventen am Arbeitsmarkt ist ungerecht und unklar.

Die genannten Gesetze haben nicht dazu beigetragen, alle Probleme zu lösen. So die Verfügung über die Gebäude, unzumutbare Studien- und Lehrbedingungen, ausreichende Stipendien, sozial verträgliche Studiengebühren, ein Studienrecht, das mehr Ernsthaftigkeit bei der Studienwahl und im Studium begünstigt, gerechte und effizienzsteigernde Regeln für die Zulassung zum Studium, attraktive Karrierewege. Die Forschungsförderung (FWF) bestimmt maßgeblich die Entwicklung der Universitäten. Sie ist nicht groß genug, und die Finanzierung der Overheads der Projekte an den Universitäten ist nicht realisiert.

Alles bekannte Themen, Lösungsvorschläge vorhanden. Trotzdem wurde bisher zu wenig getan, was wirklich weitergeführt hätte.

Die FHs sind Neugründungen ohne Geschichte mit einer anfänglich angefeindeten gesetzlichen Grundlage: radikaler Bruch mit den Regeln des bestehenden Hochschulsystems, keine detaillierten Vorschriften, private Trägerschaft, Mitfinanzierung des Betriebs durch den Bund, Qualitätssicherung durch unabhängige Behörde, berufsorientierte Studien, Trennung von Berufsbildung und Bildung aufgehoben, Studiengebühren zulässig. Die Nachfrage nach Studienplätzen und Absolventen ist groß, das Wachstum zwar beachtlich, aber zu langsam, es gibt keinen sicheren, zumindest mittelfristigen Finanzierungsplan des Bundes, praktisch kein privates Engagement. Von den Universitäten werden sie beneidet, aber nicht als ebenbürtig erachtet, die Zulassung ihrer Master-Absolventen zum Doktoratsstudium wird ungebrochen unzulässig erschwert. Die FHs beneiden anderseits die Universitäten wegen ihrer Vorrechte. Die Fachhochschulen brauchen einige Kurskorrekturen. Das Verhältnis der zweifellos erfolgreichen Führung der privaten Trägerinstitutionen zur akademischen Selbstverwaltung gehört geklärt, die für sie typische anwendungsorientierte Forschung gestärkt, die internationale Einbindung intensiviert.

Der Fachhochschulsektor soll weiter, schneller und stärker ausgebaut werden. Eindeutig berufsorientierte Studien sollen an Fachhochschulen konzentriert werden. Vernünftige Studien- und Arbeitsbedingungen sollen abgesichert und, wo sie fehlen, hergestellt werden, die hohe Spezialisierung der Bachelor-Studienangebote reduziert und die heutigen technischen Möglichkeiten genützt werden. Die Universitäten sollen ihre Forschung, vor allem die Grundlagenforschung forcieren. Die gegenseitige Ab- und Ausgrenzung der Universitäten und Fachhochschulen soll beendet werden.

Die Pädagogischen Akademien wurden halbherzig zu "Hochschulen" gemacht, ideologisch und für Zwecke von Parteimacht eingespannt. Es ist höchste Zeit, sie ohne Scheuklappen und mit rationalen Argumenten zu echten Hochschulinstitutionen werden zu lassen, dabei ihre Stärke, die Praxisorientierung, zu erhalten und sie politisch zu den bestehenden Universitäten und Fachhochschulen einzuordnen.

Eine gesamtsystematische Ordnung der Hochschuleinrichtungen fehlt. Es ist Zeit, die einzelnen Teile zusammenzuführen und dabei die jeweiligen Kernkompetenzen zu stärken und die unnötigen Unterschiede abzubauen. Der Kulturwandel zum partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Staat und den autonomen Institutionen bedarf der Pflege und benötigt Zeit. Die Institutionen brauchen mehr Geld, sie sind essenziell für unsere Zukunft. (Sigurd Höllinger, DER STANDARD, 21.6.2014)