Bagdad - Nach einem Gespräch mit US-Außenminister John Kerry in der irakischen Hauptstadt Bagdad hat der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki seine Absicht, bis zum 1. Juli seine Regierung umzubilden, bekräftigt. Das gab Kerry nach den Beratungen am Montag bekannt und hielt fest, dass Washington auf eine Regierung, die die Interessen aller Iraker vertrete, poche.
Kerry betonte weiter, dass die Unterstützung der USA für den Irak und seine Sicherheitskräfte "intensiv und nachhaltig" sein werde, um den Vormarsch der jihadistischen Gruppe Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIS) zu stoppen.
Al-Maliki steht seit langem in der Kritik, weil seine von Schiiten dominierte Regierung die Sunniten im Irak diskriminiert. Nach dem Vormarsch der sunnitischen Islamistenmiliz ISIS im Norden und Westen des Landes steigt im In- und Ausland der Druck auf den schiitischen Ministerpräsidenten, sein Amt aufzugeben. Der Regierungschef lehnt einen Rücktritt bis dato jedoch ab.
70 Tote bei Angriff auf Gefangenentransport
Bei einem Angriff auf einen Gefangenentransport südlich von Bagdad sind am Montag mehr als 70 Menschen getötet worden. Wie ein Polizeioffizier und ein Arzt mitteilten, starben 69 Gefangene. Zudem seien bei anschließenden Gefechten ein Polizist und acht Angreifer in der Nähe der Stadt Hashimija in der Provinz Babylon getötet worden. Wer den Konvoi angriff, war unklar.
ISIS erobern weiteren Grenzübergang zu Syrien
ISIS-Kämpfer haben einen weiteren Grenzübergang vom Irak nach Syrien unter ihre Kontrolle gebracht. Wie zwei Offiziere des irakischen Grenzschutzes am Montag bestätigten, eroberten sie mit dem Übergang Al-Walid bereits die zweite Kontrollstelle an der Grenze zu dem benachbarten Bürgerkriegsland.
Den Angaben zufolge zog sich der Grenzschutz am Sonntag von dem eingenommenen Posten zu einem anderen Grenzübergang nach Jordanien weiter südlich zurück.
Treffen der EU-Außenminister
Die Außenminister der 28 EU-Staaten beraten am Montag in Luxemburg über die Lage im Irak. Sie wollen die Terrorgruppe verurteilen und eine Regierung fordern, in der Sunniten und Schiiten gleichermaßen vertreten sind. "Unsere Möglichkeiten der Einflussnahme sind begrenzt", sagte ein Diplomat.
21 Menschen am Sonntag hingerichtet
Die jihadistischen ISIS-Kämpfer sind weiterhin auf dem Vormarsch im krisengeschüttelten Irak. Sie haben in zwei westirakischen Städten 21 Menschen hingerichtet, wie Offiziere und Ärzte mitteilten. Die Exekutionen durch ISIS-Kämpfer erfolgten den Berichten zufolge am Samstag und Sonntag in den Städten Rawa und Ana, die zuvor von der Terrorgruppe gestürmt worden waren. Bei den Getöteten handelte es sich den Angaben zufolge um Repräsentanten der bisherigen Autoritäten, darunter Stammesführer. Die irakische Armee hatte sich zuvor nach eigenen Angaben aus "taktischen" Gründen aus Rawa und Ana zurückgezogen.
Keine US-Bodentruppen
Obama wies in einem Interview mit dem US-Sender CBS, das am Freitag aufgezeichnet und am Sonntag ausgestrahlt wurde, erneut den Gedanken einer Intervention mit Bodentruppen zurück. Er warnte vor der generellen Gefahr, die vom islamistischen Extremismus ausgehe. Die "extreme Ideologie" der Islamisten sei eine "Gefahr auf mittlere und längere Sicht", sagte Obama. Vom Irak aus könnte der Vormarsch der Jihadisten zum Beispiel "nach Jordanien übergreifen".
Von der syrischen Provinz Ar-Raqqa aus waren die ISIS-Kämpfer vor einigen Monaten ins westirakische Al-Anbar gekommen. In der Stadt Falluja setzten sie sich im Jänner fest, eroberten Waffendepots der irakischen Armee und hielten Angriffen der Regierungstruppen stand. Vor eineinhalb Wochen nahmen sie die Millionenstadt Mossul ein und zogen dann rasch weiter in Richtung Bagdad. Inzwischen hat ISIS große Landstriche im Norden und Westen des Iraks unter ihrer Kontrolle.
Die Feindschaft zwischen den muslimischen Glaubensrichtungen der Sunniten und Schiiten hat im Irak eine lange Tradition. Exdiktator Saddam Hussein, ein Sunnit, hatte die schiitische Mehrheit im Land diskriminiert. Nach seinem Sturz 2003 verloren die sunnitischen Stämme Macht und Einfluss. Nach dem US-Abzug 2011 entbrannte der Machtkampf aufs Neue. Die von Schiiten dominierte Regierung unter Maliki hält Sunniten seit Jahren von allen wichtigen politischen Posten im Irak fern. (red/APA/Reuters, 23.6.2014)