"Journalismus ist kein Geschäftsmodell" betitelt sich ein 2014 erschienener Sammelband (Lobigs/von Nordheim, Nomos 2104).  Leider, würde so mancher Verlagsmanager wohl hinzufügen und unter Umständen ergänzen: ganz besonders gilt das für´s Zeitungsmachen.

Zeit also für Nachrufe (Michael Fleischhacker) oder doch zur Besinnung auf die "Idee der Zeitung" (Frank Schirrmacher) und eine Chance für Qualität (Michael Haller)?

Meint man mit Zeitung das physische auf Papier gedruckte Produkt, das einem ein spezifisches taktiles und ästhetisches Lustgefühl verschafft, dann zeigen Studien zur Mediennutzung, daß dieses vor allem bei Jugendlichen in der Tat immer weniger Anklang findet. Im einem Land mehr, im anderen weniger- aber die Tendenz bleibt gleich- sie weist nach unten.

Geschäftsmodell unter Druck

Dies heißt nicht, daß die Inhalte nicht mehr genutzt würden. Das werden sie sehr wohl, aber eben digital und immer öfter mobil. Allerdings auch oft ohne dafür direkt (Vertriebserlöse) oder indirekt (mit Aufmerksamkeit für Werbung) zu bezahlen. Das Geschäftsmodell, das auf der Gewinnung von Vertriebs- und/oder Werbeerlösen durch die Produktion interessanter Inhalte beruht, so zeigt die medienökonomische Forschung, gerät unter Druck.

Die Herausgabe von Zeitungen war immer mehr als ein Geschäft, aber oft ist es nicht einmal mehr ein Geschäft. Dies gilt für Regional- und Wochenzeitungen weniger, für überregionale Tageszeitungen mehr. Nun kann man meinen, dies sei kein Problem, denn auch andere Geschäftsmodelle sind im Strukturwandel der Öffentlichkeit verschwunden. Kann man Zeitungsverlage also so betrachten wie die Videotheken- als eine durch die Digitalisierung obsolet gewordene Dienstleistung? Als ein Programm für die Elite, die sich diesen (künftig teuren) Luxus leisten will? Man kann. Soll man auch? Nein!

Was relevant, interessant, bedeutsam ist

Denn "Zeitung" ist auch eine kulturelle Praxis der Selbstvergewisserung und der Debatte in einer Gesellschaft, was denn relevant, interessant, bedeutsam sei und ist damit Infrastruktur der Demokratie. Das Wesen einer offenen Gesellschaft ist es, daß es für öffentliche Meinung kein Zentrum gibt. Niemand kann in einer solchen Gesellschaft die öffentliche Meinung vollständig kontrollieren. Auch die besten Experten und Expertinnen für Framing, Spin Doctoring und Public Relations können nur punktuell und nicht nachhaltig eingreifen. Das ist gut so.

Grasser, Meischberger, Murdoch, Berlusconi

Jene die glaubten die Öffentlichkeit sei ihnen untertan und die ihre eigenen PR-Stories glaubten, jene die öffentlich von sich in der 3. Person sprachen und die die Demut vor der 4. Gewalt verloren hatten- wurden immer wieder eines besseren belehrt. Was würden ehemalige Finanzminister, die sich in der Sonne der öffentlichen Aufmerksamkeit und der geborgten Macht sonnten, darum geben, nun nicht mehr öffentlich exponiert zu sein? Und erst deren Trauzeugen? Wer mag mit Rupert Murdoch, Silvio Berlusconi et. al. Mitleid haben, wenn sie selbst zum Objekt der Berichterstattung werden?

Wenn sich die Öffentlichkeit gegen ihre einstigen Lieblinge wendet, dann wanken selbst Bundes- und Ministerpräsidenten, wie wir in Deutschland jüngst beobachten konnten. Und: auch in Österreich und ja auch in Kärnten kann Öffentlichkeit als kritisches Korrektiv wirken. Kurz gesagt: eine Demokratie braucht die "Idee der Zeitung", auch wenn das gedruckte Produkt nicht mehr im Mittelpunkt steht. Dazu braucht es ein gewisses Maß an Öffentlichkeit aber auch an Professionalität, denn nicht alles ist durch wache Bürgerinnen und alerte Blogger recherchierbar. Das bedingt auch eine solide ökonomische Basis, die wenn sie der Markt nicht bereitstellen kann, durch die Gesellschaft zu schaffen ist.

Vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein kleiner Schritt

Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein kleiner Schritt. Gut so! Dafür brauchen wir Medien, die sich nicht kaufen, täuschen, instrumentalisieren und ideologisieren lassen. Zumindest nicht immer. Dafür brauchen wir JournalistInnenen, die Journalismus nicht nur als Service, sondern auch als Dienst an der Gesellschaft verstehen. Dafür brauchen wir Medien, die zeigen, dass die öffentliche Meinung kein Instrument der Herrschaft, sondern eines der Aufklärung ist. Dafür lohnt es sich- so meine ich- zu streiten, zu kämpfen und ja- auch zu zahlen. So oder so. (Matthias Karmasin, derStandard.at, 23.06.2014)