Ein paar Tage länger noch im Baskenland und es wäre wohl noch richtig extrem geworden. Aber: Andoni Luis Aduriz war nun einmal just in jenen Tagen auf Pause, in denen wir Donostia alias San Sebastian heimsuchten. Sprich: Mugaritz war zu. Ein Planungsfehler, keine Frage. Aber man kann sich ja in - gar nicht so - kleinen Schritten heranessen an den Extremisten.

Zum Beispiel mit einem Abend bei Akelarre, der nicht mehr ganz so heutig wirkt, und doch nicht nur mit Üppigkeit und Qualität beeindruckt. Zum Beispiel mit ambitioniertesten Tapas - auf die kommen wir hier noch. Und zum Beispiel mit Martin Berasategui, wie Akelarre vom Guide Michelin mit drei Sternen bestückt. Der kommt schon weit heutiger, überraschender, spannender daher als sein Kollege mit dem Schnauzer, fand ich:

Hab ich vorige Woche über die Harmonie von Kürbiskern und Hühnerleber geschrieben? Vergessen Sie's. Geräucherter Aal und Foie Gras in diesem Millefeuille von Martin Berasategui, mit Apfel und Frühlingszwiebel. Das ist eine Ansage. Und wird 2015 dann schon zehn Jahre serviert werden. Klingt nach Bestätigung.

Foto: Harald Fidler

Hier wird gerade ein wundercremig-zarter Tintenfischtintenraviolo zu Wasser gelassen, genauer: in recht intensive Tintenfischsuppe - im Hintergrund ein "Crouton" - richtig, vom Tintenfisch. Begeisterung.

Foto: Harald Fidler

Spätestens an dieser Stelle sorgt sich ein wesentlicher Teil der dennoch geschätzten Posterinnen und Poster, ob man da auch satt wird in San Sebastian. Keine Sorge: a) Man wird. Und b) ist zwar satt werden auch ein wesentlicher Zweck des Essens, aber halt auch nicht immer der einzige. Sonst spart man sich solche Lokale besser - in allen Hinsichten.

Im Bild: Auster in Gurke, Kefir und Kokosnuss. Sehr spannend. Und macht durchaus wieder ein Stück satter.

Foto: Harald Fidler

Dreisterneküche muss nicht immer ordentlich aussehen, findet Herr Berasategui augenscheinlich, und man kann ihm da durchaus Recht geben.

Was da nicht so wahnsinnig schön aussieht (aber umso schöner und dezenter schmeckt), ist sautierter schwarzer Knoblauch. Darauf Fisch-Cheviche, Schaum von der roten Rübe, Kren-Creme und Ice Radish, da halte ich mich lieber an die Formulierung der englischen Karte - kundige Übersetzung immer willkommen.

Am Ende jedenfalls, wenn man wirklich brav nach dem Ratschlag des Servierpersonals durch Knofel, Fisch und Rübe gewischt hat...

Foto: Harald Fidler

... sieht das ganze noch ein bisschen weniger schön aus. Aber wann machen sich schon leergefutterte Teller besonders schmuck aus?

Foto: Harald Fidler

Ganz frisch auf der Karte, erklärte uns der Kellner. Kann dort bleiben, finden wir: Spargel, roh, mit Idiazabal, einem Hartkäse also, und Anis-Samen.

Foto: Harald Fidler

Sorry, schon wieder Foie Gras - und, sorry, auch verdammt gut. Mit Seetang, mit einer Art Rettich-Tofu, fermentiertem Soja-Supperl und Haselnusssalz. Hach.

Foto: Harald Fidler

Äußerst anständig, mir unanständig Genußsüchtigem freilich auch ein bisschen unverständlich: Die Wunderbare wollte keine Gänseleber und wich auf diese vegetarische Alternative aus - die ich mir blöderweise nicht aufgeschrieben und sie sich nicht gemerkt hat. Aber sie soll sehr gut gewesen sein, das weiß sie noch.

Sachdienliche Hinweise immer willkommen.

Foto: Harald Fidler

A propos rätselhaft: Was könnte das gewesen sein?

Ein Ei. Auf flüssigem Kräutersalat. Auf einem Scheibchen vom Hals der Kuh. Und all das auch noch ein Tribut an eine baskische Süßwareninstitution (Gorrotxategi). Sagen sie bloß, Sie haben sich das gleich gedacht. Ich definitiv nicht. Bin nur dahingeschmolzen. Wie dieser Gang in mir.

Foto: Harald Fidler

Da kommt der Frühling voll freudiger Farben in den damals gerade sauwettrigen März: ein kunterbunter Salat aus lauwarmen Herzen (die vom Gmias, nicht vom Tier), mit Meeresfrüchten, Salatcreme und jodierten Säften. Klingt außer bunt nicht allzu spannend - schmeckt aber umso bunter und frühlingsfröhlich.

Foto: Harald Fidler

Wolfsbarsch auf einer intensiven Sauce aus - wenn ich mir das jetzt recht zusammengereimt habe - Rankenfußkrebsen, diesen muschelartigen Meerestieren, die sich an allen möglichen Teilen im Wasser festsetzen. begleitet von "knusprigem Dotter" - den Bällchen am Barsch. Grün im Hintergrund: ein schön intensives Extrakt von grünem Spargel und Spinat.

Foto: Harald Fidler

Nur dass Sie nicht auf die Idee kommen, die Wunderbare wäre Vegetarierin: Hier bog sie noch einmal aus dem "Best-of"-Menüvorschlag von Martin Berasategui ab Richtung Schweinsfuß (Beresategui hatte keine Ohren des Rüsseltiers auf der Karte).

Der Schweinsfuß steht übrigens auch schon seit 1995 auf der Karte des Dreisterners. Völlig zurecht.

Schön für mich, dass die Wunderbare da auch schon relativ satt war. Der Fuß (aus dem "Consorcio de Jambugo") kam mit Quitte, Kohlcreme und ein bisserl Manchego.

Foto: Harald Fidler

Schön für mich auch, dass mein Appetit nicht so rasch die Fassung verliert, auch vor einem so üppigen Schweinsfuß.

Sonst hätt diese gebratene Taube an meinem Mund vorbeifliegen müssen, mitsamt "ihren Säften" (so stands auf der Karte), zudem Oliven, ein bisserl Trüffel, Gurke mit Essig und Curry. Sehr schön.

Wer jetzt noch vermutet, er oder sie würde hier wieder einmal nicht satt und bräuchte danach noch eine Käsekrainer: Unsinn.

Foto: Harald Fidler

Schon wieder "Foie Gras", werden sie jetzt sagen, und das zurecht. Aber: Wir sind bei den Desserts - da ist Foie praktisch perfekt, um Dessertskeptiker wie mich zu locken: Foie-Gras-Nougat mit Apfel, Rotwein und Crisp vom schwarzem Sesam. Zugegeben: Ich war nicht schwer zu gewinnen dafür.

Foto: Harald Fidler

Fenchel zum Dessert - gefroren geht das gut. Mit Ananas und einem geräuchterten, knusprigen Kakao-Schwamm. Bin restlos begeistert.

Foto: Harald Fidler

Ja, auch so groß kann man Petits Fours herausstellen.

Foto: Harald Fidler

Damit man nicht ganz unvorbereitet bei Martin Berasategui hereinschneit: Löffelformen in rostigem Stahl deuten darauf hin, dass es hier wohl was Ordentliches zu Essen gibt.

Das wahrhaft große Menü kostet bei Martin Berasategui 195 Euro, Webseite unter diesem Link.

Und zu Herrn Andoni Luis Aduriz werden wir's schon noch schaffen, ins Mugaritz, ebenfalls in San Sebastian alias Donostia. Muss sein. (Harald Fidler, derStandard.at, 1.7.2014)

Foto: Harald Fidler