Als ich diese Kolumne begann, wurde mir von Kollegen empfohlen besser keine Fortsetzungen, keine Reloads, kein revisited von whatever zu produzieren. Manche Themen lassen sich dennoch nicht mit einem Absatz von 2770 Zeichen abhandeln.

Das der sogenannten Migrationsliteratur zum Beispiel, die sich ab und an auch unter dem Begriff "Deutsch als Zweitsprache" bemerkbar macht. Der Blick auf Menschen, deren Beruf das Stellen von Schrift darstellt, sollte vor allem vom Inhalt des Geschriebenen geprägt werden.

Nicht von der geografischen Festlegung des vermutlich ursprünglich aus Pangäa, von jenem Strand, an dem das erste landgängige Vieh der ozeanischen Ursuppe als frühe Version der Venus von Botticelli entstieg, stammenden Schriftstellerkörpers. Die Vergangenheit, die eines jeden Schriftstellenden Werk mitträgt, ob sie sich in dessen Texten nun finden lässt, oder nicht, sollte gleichwertig betrachtet werden: ob sie nun hüben oder eben drüben stattgefunden hat. Eingeteilt wird gerne in eine exotische Vorvergangenheit und eine Mitvergangenheit einer neuen Heimat mit deren neuen Bewohnern.

Mir leuchtet ein, dass diese Begriffe nicht segregierend, sondern höchst gut gemeint sind, eine Art Schützenhilfe für das Losfeuern ins Deutsche. Dennoch kann ein solcher Blick fast mitleidig wirken, im schlimmsten Fall herablassend, im allerschlimmsten den edlen Wilden, der doch nur wenig kreativ wiedergibt, was ihm geschah, feiernd. Ähnlich unglücklich die unterscheidenden Begriffe "Frauenliteratur" und "Literatur".

Schreibt ein Mann über eine Frau, ist das ein Roman. Schreibt eine Frau über eine Frau, ist das Frauenliteratur! Frauen und Wilde verwalten bloß ihre Geschichte, während der "Literat" aus dem Genialen schöpft. Ich bin eine unfreiwillige Jägerin des Absurden, besser gesagt, das Absurde jagt mich, und es verfehlt mich selten. Bei der letzten Diskussion tauchte die Frage auf, ob das Wort die Realität präge, ob es sie neu definiere. Meine Kollegin, auch Deutsch zweitsprechend, trug in schöner, aus der Zeit gefallen scheinender Art vor. Edel.

Die Einteilung in Zweitsprechende schien sie nicht zu stören. Geschmäcker sind eben verschieden. Ich stierte auf die Leselampe vor mir, hörte mit beiden Ohren zu und dachte mit halbem Hirn über meine weniger edle Antwort nach, bis mir auffiel, dass auf dem dicken Lampenstandbein ganz groß "Arsch" geschrieben stand. Am Anfang war also der Arsch. Das war kein guter Anfang, und meine Rede nahm auch kein gutes Ende. Ich wollte weder edel noch wild sein - sondern einfach nur Spracharbeiterin mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 21./22.6.2014)