Wären am Sonntag in Deutschland Bundestagswahlen, frage nicht, Angela Merkel würde eine satte Mehrheit einfahren. Nicht zuletzt dank Lukas Podolski, dem ehrenwerten Mitglied der Spaßgesellschaft. Er hatte vor der Partie gegen Portugal darum gebeten, dass seine Kanzlerin nach dem Spiel in die Kabine kommen möge, er würde liebend gerne ein Selfie mit ihr machen und auf Facebook stellen. Sie, tagaus und tagein um Volksnähe bemüht, kam nach dem 4:0 und machte. Er stellte. Das Bild hatte Zugriffe, bist du deppert. Selbstvermarkter Podolski weiß eben, was die Welt sehen will.

In Brasilien schaut das ein bisserl anders. Neymar käme nie und nimmer auf die Idee, sich ein Selfie mit Präsidentin Dilma Rousseff zu wünschen. Sie würde es zwar tun, er hätte aber ein landesweites Problem. Auf die Trennung von Fußball und Politik wird in gewisser Weise Wert gelegt.

In Österreich ist alles offen. Da die Mannschaft nicht qualifiziert ist, müssen Kanzler Werner Faymann und sein Vize Michael Spindelegger aktuell gar nicht darüber nachdenken. Sollte es mit der Teilnahme an der WM 2018 in Russland klappen, wird es allerdings haarig. Es sind Fragen offen: Sehnt sich David Alaba überhaupt nach einem Selfie mit Faymann? Ist Marko Arnautovic tatsächlich scharf auf ein Foto mit Spindelegger? Dürfen österreichische Politiker in Moskau überhaupt in die Kabine? Werden Selfies in Russland strafrechtlich verfolgt?

Der rote Kanzler und sein schwarzer Vize können sich ja bei Fifa-Boss Joseph S. Blatter schlau machen. Die oppositionellen Blauen, Grünen und Pinken lauern. Sie wittern ihr Chance, hoffen, dass die beiden Blatter zu einem gemeinsamen Selfie überreden. Es wäre wahlentscheidend. (Christian Hackl, DER STANDARD, 18.6.2014)