Brasilia - "Mehr als dreißig Berlusconis" regieren laut Reporter ohne Grenzen (ROG) die Medien Brasiliens. Der Vergleich mit Italiens verurteiltem Ex-Premier und Medienmogul Silvio Berlusconi beschreibt die "fast inzestuöse" Beziehung zwischen Medien, Politik und Wirtschaft in dem südamerikanischen Land. Journalisten werden nicht nur bedroht, sondern auch getötet. Rechtsschutz für Reporter gibt es kaum.

"Zehn Familien kontrollieren, wie du dich informierst!", hieß es auf einigen Plakaten, die während der Proteste gegen die Fußball-Weltmeisterschaft seit dem vergangenen Jahr hochgehalten wurden. Dass die Massenmedien des 200-Millionen-Einwohner-Landes im Besitz von gerade einmal zehn Konzernen sind, zeige die hohe Konzentration der Medienmacht, kritisierte ROG in einem 2013 veröffentlichten Bericht. Die meisten dieser Unternehmen sind im Besitz von Familienclans und verfolgen eine klare politische und wirtschaftliche Agenda.

Marinho-Clan

Bestes Beispiel ist die Globo-Gruppe mit Sitz in Rio de Janeiro. Rund 91 Millionen Menschen schauen täglich einen Globo TV-Sender, die Zeitung "O Globo" gehört zu den auflagenstärksten des Landes. Die Eigentümerfamilie Marinho kam unter der Militärdiktatur (1964-1985) rasch zu Wohlstand und Einfluss. Gründer Roberto Marinho dankte es bis zu seinem Tod 2003 dem damaligen Regime und Verbündeten in nachfolgenden demokratischen Regierungen. Dass es schwer ist, ohne die Unterstützung des Marinho-Clans Staatsoberhaupt Brasiliens zu werden, ist ein offenes Geheimnis.

"In Brasilien gibt es jedoch einen bedeutenden Unterschied zwischen den Medien in den großen Städten Sao Paulo und Rio de Janeiro sowie dem Inland", betonte die ROG-Expertin für Amerika, Camille Soulier, gegenüber der APA. Wobei der Begriff "Inland" den "Rest des Landes" oder das "ländliche Gebiet" umschreibt.

"Media-Colonels" auf lokaler Ebene

Problematisch sind der Medien-Expertin zufolge vor allem die auf lokaler Ebene agierenden "Media-Colonels". Hierbei handelt es sich um "Großgrundbesitzer oder Industrielle, die oft auch ein politisches Amt bekleiden oder aufgrund ihres Reichtums großen Einfluss auf die Politik haben".

Auch Drohungen und Klagen der "Colonels" gegen Medienarbeiter stehen auf der Tagesordnung. Im Bundesstaat Maranhao werden Journalisten, die sich kritisch gegenüber dem dort hoch angesehen früheren Präsidenten (1985-1990) und heutigem Senator Jose Sarney äußern, zur persona non grata erklärt, werden Aktivisten in dem ROG-Bericht zitiert. Dem Journalisten Jose Cristian Goes aus dem Bundesstaat Sergipe drohten demnach bis zu vier Jahre Haft, weil er sich in seinem Blog im Jahr 2012 über die lokale Günstlingswirtschaft und blühende Korruption lustig machte.

Neues Gesetz

Dieser Umgang mit Journalisten erinnert an Zeiten der Militärdiktatur, in der lange Haftstrafen durch das Mediengesetz von 1967 legitimiert wurden. Das Gesetz überlebte das Ende des Regimes und wurde auch zum Teil in die Verfassung von 1988 aufgenommen. Erst im Jahr 2009 wurde das Gesetz formal endgültig abgeschafft. Seitdem kämpfen Journalisten-Verbände um ein neues Gesetz, das ihren rechtlichen Status sichert - ein Vorhaben, das von den Medieneigentümern bisher erfolgreich verhindert wurde. (APA, 18.6.2014)