Bild nicht mehr verfügbar.

Nach seiner Niederlage bei den EU-Wahlen ließ sich Beppe Grillo mit Dornenkrone ablichten. Wenige Wochen später zeigte er sich doch verhandlungsbereit.

Foto: EPA / RICCARDO DALLE LUCHE

Unberechenbar war Beppe Grillo schon immer. Doch der rabiate Kurswechsel, den der Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung am Sonntag vollzogen hat, spaltete seine Anhänger in zwei Lager. Hatte der ehemalige Komiker über Monate dialogbereite Parlamentarier als Verräter aus der Bewegung geworfen, kündigte er in seinem Blog nun plötzlich die Bereitschaft zu Verhandlungen mit dem verhassten Premier Matteo Renzi an.

Die Basis zeigte sich desorientiert. Die Fundamentalisten orteten Verrat an den Prinzipien der Bewegung, der dialogbereite Flügel begrüßte die Entscheidung als Abkehr von der frustrierenden Politik selbstverordneter Isolation. Viele kritisierten, dass die Wende den Mitgliedern der Bewegung nicht zum rituellen Internet-Votum vorgelegt worden sei.

Renzi "vom Volk legitimiert"

Mit der überraschenden Entscheidung reagierte Grillo offenbar auf den Misserfolg bei der Europawahl vor drei Wochen, wo der von ihm prognostizierte "Triumph" ausgeblieben war und die Mitte-links-Partei PD von Erzfeind Renzi mit fast 41 Prozent der Stimmen in etwa das Doppelte seiner Zustimmung kassiert hatte.

In seiner Stellungnahme gestand Grillo nun ein, dass der Premier "vom Volk legitimiert" worden sei und signalisierte Gesprächsbereitschaft. Seine Bewegung sei daran interessiert, mit Renzi etwa über das neue Wahlrecht zu verhandeln.

Der Regierungschef gab sich in seiner Antwort vorerst noch abwartend: "Im Interesse Italiens sprechen wird mit allen Parteien und hören ihre Vorschläge an. Faule Tricks lehnen wir aber ab". Nach dem Eklat bei der ersten Begegnung wird Grillo diesmal nicht persönlich mit Renzi verhandeln, sondern überlässt diese Aufgabe den Fraktionschefs in Kammer und Senat und dem Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses. Eine Einigung scheint schwierig, da Renzi für ein Mehrheits- und die Fünf-Sterne-Bewegung für ein Verhältniswahlrecht eintritt.

Berlusconi isoliert

Bereits vor wenigen Tagen hatte ein Treffen von einigen Fünf-Sterne-Parlamentariern mit Justizminister Andrea Orlando für Aufmerksamkeit gesorgt. Dabei schlug die Bewegung die Verabschiedung eines gemeinsamen Antikorruptionsgesetzes vor.

Eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Partito Democratico und Fünf-Sterne-Bewegung würde neue Perspektiven für Italiens Politik eröffnen. Denn in diesem Fall wäre Renzi bei der Verwirklichung seines ehrgeizigen Reformprogramms nicht von der Zustimmung Silvio Berlusconis abhängig. Dessen politischer Einfluss könnte nach der jüngsten Wahlniederlage weiter schwinden.

Auch die Lega Nord zeigt sich nach den krass populistischen Tönen im Wahlkampf an Verhandlungen mit Renzi interessiert und könnte dessen Reform des Senats mittragen. In diesem Fall wäre Berlusconi politisch sogar vollständig isoliert.

Der Ex-Premier wird freilich im Moment von anderen Sorgen geplagt. Einmal mehr geht es für ihn um einen Gerichtstermin: Am kommenden Freitag beginnt in Mailand in zweiter Instanz der Ruby-Prozess, bei dem der 78-Jährige eine Bestätigung des Urteils zu sieben Jahren Haft befürchten muss. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, 17.6.2014)