Bild nicht mehr verfügbar.

Freiwillige der irakischen Armee in Bagdad

Foto: REUTERS/Thaier Al-Sudani

Bild nicht mehr verfügbar.

Irakische Sicherheitskräfte während der Kämpfe mit islamistischen Gruppen

Foto: reuters/ALAA AL-MARJANI

Bild nicht mehr verfügbar.

Kurdische Milizen feuern einen Mehrfach-Raketenwerfer ab

Foto: REUTERS/Yahya Ahmad

Die ISIS-Aufständischen nahmen am Sonntagabend laut Augenzeugen Tal Afar ein

Foto: Perry-Castaneda Map Collection

Bagdad - Das US-Außenministerium hat am Sonntag die Evakuierung zahlreicher Mitarbeiter der US-Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad angeordnet, meldet die New York Times. US-Bürger werden vor Reisen in fünf irakische Provinzen gewarnt.

Mitarbeiter der weltgrößten US-Vertretung und der Konsulate in Basra und Erbil sollen im Lauf der Woche außer Landes gebracht werden, zusätzliches Sicherheitspersonal wird eingeflogen.

Laut Berichten von Augenzeugen nahmen Kämpfer der radikal-islamischen Gruppe "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" (ISIS) am Sonntagabend die westirakische Ortschaft Tal Afar (siehe Landkarte) ein. Diese liegt rund 70 Kilometer westlich von Mossul, auf halber Strecke zur syrischen Grenze. Anfang der Woche hatten die ISIS Mossul erobert und einen Vorstoß in Richtung Bagdad begonnen.

Armee meldet Erfolge

Nach dem raschen Vormarsch der ISIS macht die irakische Armee laut eigenen Angaben wieder Boden gut. Binnen 24 Stunden will das Militär fast 280 Aufständische getötet haben.

Bei einem Anschlag in der Hauptstadt Bagdad starben am Sonntag rund zehn Personen. Als Reaktion auf die Eskalation entsandten die USA Kriegsschiffe in den Persischen Golf.

Laut Medienberichten scheint sich die ISIS vor allem in der westirakischen Provinz Anbar und im Norden zwischen Mossul und Bagdad festgesetzt zu haben. ISIS habe auf eine klassische Guerilla-Taktik im Irak verzichtet, berichtete die "New York Times". Stattdessen hätten die Aufständischen nach langer Vorbereitung eine Schneise ins Land getrieben.

ISIS kontrolliert Verkehrswege

Mit der Kontrolle über die drei großen Autobahnen nördlich von Bagdad sei die Kurdenregion vom Rest des Iraks abgeschnitten, "das könnte das Land endgültig zersplittern". Experten warnen vor einem Kollaps des Iraks - mit Erschütterungen weit über die Krisenregion Nahost hinaus.

Kurdische Peshmerga-Soldaten und irakische Truppen kämpfen seit der Blitzoffensive gemeinsam gegen die Extremisten. Die Peshmerga schlugen ISIS-Kämpfer im Ostirak sowie an der irakisch-syrischen Grenze im Westen des Landes zurück.

Wie ein ranghoher Vertreter der kurdischen Sicherheitskräfte am Sonntag sagte, übernahmen seine Truppen die Kontrolle über die irakisch-syrische Grenzstation Rabia schon am Dienstag. Der irakische Grenzschutz habe sich von dort zurückgezogen.

Viele Tote bei Offensive

Bei der Offensive gegen die ISIS sind 279 "Terroristen" getötet worden, wie der Sprecher für sicherheitspolitische Fragen von Ministerpräsident Nuri al-Maliki, Kassem Atta, bei einer vom Fernsehen übertragenen Pressekonferenz erklärte. Laut UNO wurden außerdem mehrere Hundert Zivilisten getötet und etwa 1.000 verletzt. Hunderttausende Iraker sind auf der Flucht.

Ihren Kampf führen die Islamisten auch im Internet mit zahlreichen Videos und Fotos grausamer Exekutionen. Nach eigenen Angaben richteten die Extremisten Hunderte irakische Soldaten hin. Die Echtheit der Bilder, die in der Provinz Saleheddin nördlich von Bagdad gemacht worden sein sollen, konnte nicht überprüft werden. Ein Foto zeigt eine Reihe Männer in Zivilkleidung mit auf dem Rücken gefesselten Händen.

Auf einem zweiten Bild werden die Männer auf Lastwagen geladen. Auf einem weiteren Foto ist zu sehen, wie die Männer gezwungen werden, sich in einer flachen Grube auf den Boden zu legen, während Kämpfer mit der ISIS-Fahne zuschauen. Dann wird gezeigt, wie die mit Sturmgewehren bewaffneten ISIS-Kämpfer offenbar in die Grube feuern.

Bombenanschlag in Bagdad

Bei einem Bombenanschlag in Bagdad sind unterdessen bis zu zwölf Personen getötet worden. Über 20 weitere wurden verletzt, wie Sicherheitskräfte und medizinisches Personal berichteten. Die irakische Nachrichtenseite "Al-Sumaria News" erklärte, dass das Ziel des Anschlags ein sunnitischer Schrein war. Der Sprengsatz sei an einer Straße versteckt gewesen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium in Bagdad. Nach Angaben eines Polizisten folgte dem Anschlag auch ein Selbstmordattentat.

Angesichts der Eskalation sandten die USA das Kriegsschiff "USS George H.W. Bush" in den Persischen Golf. Es sollte dort noch am Sonntag eintreffen. Begleitet werde das Schiff von einem mit Raketen bestückten Kreuzer und einem Zerstörer.

Damit solle Präsident Barack Obama zusätzliche Flexibilität gegeben werden, sollten militärische Optionen nötig werden, um das Leben von Amerikanern und Interessen im Irak zu schützen. Nach dem Irak-Krieg (2003-2011) hatte Obama zwar eine Rückkehr von US-Kampftruppen in das Land ausgeschlossen. Andere militärische Optionen hielt er sich aber offen.

McCain für Luftangriffe

Die oppositionellen Republikaner riefen Obama zu einem entschiedeneren Vorgehen auf. John McCain, einflussreicher Senator aus Arizona, drängte Obama zu sofortigen Luftangriffen, um den Vormarsch der Jihadisten zu stoppen. Kritiker meinen dagegen, dass Luftschläge keinen Sinn machten, weil die Regierungstruppen zu schwach seien, um in diese Gebiete vorzurücken.

US-Außenminister John Kerry betonte in einem Telefonat mit seinem irakischen Kollegen Hoshiar Zebari, Hilfe durch die USA würde nichts bringen, solange die verschiedenen Gruppen in dem Land nicht ihre Differenzen überwänden, um die für die Zukunft des Iraks notwendige nationale Einheit zu schaffen. Auch der Papst zeigte sich über die anhaltenden Kämpfe in dem Krisenland besorgt und plädierte für eine friedliche Lösung.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wurde am Abend im Mitgliedsland Türkei erwartet. Die Türkei hatte am Mittwoch bei einer Sondersitzung des NATO-Rates seine Verbündeten über die Entführung von Dutzenden Türken im Nordirak informiert.

Tausende Freiwillige

Ziel der Terrorgruppe ISIS ist ein sunnitischer Gottesstaat vom östlichen Mittelmeer bis zum Persischen Golf. Im Irak erklärten sich Tausende, vor allem schiitische Freiwillige zum Widerstand gegen die Extremisten bereit. Allein in Najaf würden 100.000 Rekruten für die Aufnahme in die irakische Armee erwartet, berichtete "Al-Sumaria News". Viele seien dem Aufruf des schiitischen irakischen Großayatollahs Ali al-Sistani gefolgt. Er hatte seine Glaubensbrüder aufgefordert, schiitische Heiligtümer im Land vor den sunnitischen ISIS-Kämpfern zu beschützen. (APA/dpa/Reuters, 15.6.2014)