Frohe Mitarbeiter in der Seestern-Organisation, statt Chefs Katalysten: Heiko Fischer regt radikal auf und an.

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Diskussionen über die Rolle, die Weiterentwicklung der Personalabteilung (Human Resources, HR) laufen seit Jahren. Klagen über die mangelnde strategische Einbeziehung und das nur schmale Portfolio der Businesspartnerschaft auch. Den ehemaligen Personalchef des Videospiel-Entwicklers Crytek und Manager bei HP und Ebay, Heiko Fischer, nerven all diese Minischritte vor und zurück - er hat sein Beratungsunternehmen Resourceful Humans (RH statt HR) gegründet und geht damit radikal in den Markt.

Es geht um Revolution, nicht um evolutionären Change. Das Ziel klingt wie das Elysium: eine Organisation, in der die Leute selbstverwirklicht, froh, freiwillig und mitverantwortend das tun, wofür sie Leidenschaft haben. Die Grundwerte: erstens Demokratie. Mitarbeiter bekommen mehr Verantwortung und Entscheidungsfreiheit, die Organisation ist eine der Willigen und Fähigen.

Entscheidungen treffen

Zweitens freier Informationsfluss. Mitarbeiter können Entscheidungen auch wirklich treffen und deren Konsequenzen tragen, weil sie tatsächlich über alle relevanten Informationen verfügen. Und drittens: faire Gewinnbeteiligung. Wer sich in diesem Rahmen voll einbringt, der will dafür auch etwas haben und soll es kriegen.

Als Bild verwendet Fischer den Seestern. Eine verdauungsbedürftige Bildsprache: Verliert ein Seestern einen Arm, dann lebt er weiter, weil die anderen Arme das können, was der Verlorene konnte. Antihierarchisches Teilen ist also implizit im Modell. HR-Kompetenz in jeder Zelle, nicht bloß hinter der Tür der Personalabteilung.

Drei Grundsätze

Wiederum drei Grundsätze leitet er für die Beteiligten ab. Erstens: Ich habe die Wahl, zu tun, was ich liebe, und mich dazu mit gleichgesinnten, fähigen Leuten zusammenzutun. Zweitens: Ich verfüge über alle Informationen, um die besten Entscheidungen zu treffen. Drittens: Meiner Leistung wird in allen Belangen Respekt gezollt.

Teams haben im Seestern die Möglichkeit, sich mit Themen zu befassen, die ihrer intrinsischen Motivation am nächsten kommen. Ein demokratisches Umfeld unterstützt sie dabei. Teams sind durch projektbasierte Abkommen miteinander verbunden - ein transparentes Vertrauensnetzwerk entsteht. In liquider Organisationsform passen sich unternehmerische Beziehungen ständig an.

Widersprüche auflösen

Aha, denken sich da die vielen, die gefangen in ihren Abteilungssilos in der Matrix kleben. Und was ist mit denen, die da nicht mitkommen oder mitwollen? Was ist mit Produktionsbetrieben, die ohne halbwegs starres Ablaufmanagement einfach stillstehen? Was ist mit dem Dogma der Gewinnoptimierung? Weicht es dem der Sinnstiftung und des Vergnügens im Seestern?

Fischer argumentiert, dass die demokratische Natur Widersprüche auflöse. Nur beim Thema Gewinn ist er strikt: Es gehe nicht um Maximierung, sondern um gesellschaftliche Legitimation, um den Nutzen für möglichst viele. Übrigens: Der Führer ist im Seestern ein Katalyst - Initiator einer Idee ohne die Verantwortung dafür zu delegieren.

Bei der Transformation zum Seestern komme es zu kurzfristigen Konflikten und Störungen in der Wertschöpfungskette, räumt Fischer ein. Die Unwilligen isolieren sich. Demokratische Strukturen stärkten aber "die Base-Line". Das mache Pilotprojekte im Unternehmen erfolgreich. So nehme der Wandel seinen guten Lauf. (Karin Bauer, DER STANDARD, 14./15.6.2014)