Der 42 Kilometer lange Piestingtal-Radweg führt vom Bahnhof Sollenau bei Wiener Neustadt über Markt Piesting bis Gutenstein.

Foto: Wiener Alpen in Niederösterreich Tourismus GmbH

Anreise: per Zug nach Sollenau und vom Bahnhof Gutenstein retour

Route: Sollenau - Wöllersdorf - Markt Piesting - Waldegg - Oed - Pernitz - Gutenstein (- Rohr im Gebirge, plus 8 km) Variante: Der Piestingtal-Radweg führt noch über weitere 15 Kilometer bis Rohr im Gebirge. Dieser Epilog ist aber nur Sportlichen zu empfehlen, da bis zum höchsten Punkt, der Haselrast (778 m), Steigungen bis zu 15 Prozent zu bewältigen sind. Kein Bahnhof in Rohr!

Schwierigkeiten: Die 42 Kilometer nach Gutenstein verlaufen großteils auf asphaltierten Wegen und sind familientauglich.

Einkehr: in den Ortschaften

Raimundmuseum: geöffnet von Mai bis September, samstags, sonntags und feiertags 10-12 und 14-17 Uhr

Karte: Rad- und Wanderkarte Piestingtal, Bestellung via www.wieneralpen.at

Grafik: DerStandard

"Die Welt hat viele Gegenden auf Erden, / Die sich gewiß noch reizender gebärden; / Doch jeder liebt das Land, das ihn geboren, / Und einen Punkt, den er sich auserkoren. / Ich habe Dich gewählt, wildschönes Tal, / Und tausend Klüg’re teilen meine Wahl", schwärmte der Dramatiker Ferdinand Raimund im Jahr 1833 vom Piestingtal. Wollen wir doch schauen, was heute davon zu halten ist, und das "Biedermeiertal" per Rad erkunden.

Unterwegs auf dem Biedermeier-Radweg

Der 42 Kilometer lange Piestingtal-Radweg führt vom Bahnhof Sollenau bei Wiener Neustadt über Markt Piesting bis Gutenstein. Den Auftakt bildet die flache und weite Feldlandschaft zwischen Felixdorf und Markt Piesting, wo dann der eigentliche Biedermeier-Radweg beginnt. Von hier folgen wir dem Fluss auf einem lauschigen Weg ins Minnatal, wo das – nicht öffentlich zugängliche – Geburtshaus des Malers Leopold Kupelwieser steht.

Naturphänomen einer Kalksinterader

Der nächste Abschnitt des Radweges führt durch eine malerischen Aulandschaft am Fuß der Ruine Starhemberg bis Oberpiesting. Dann und wann den Fluss überquerend gelangen wir im Schwarzviertel bei Waldegg zum äußerst interessanten Naturphänomen einer Kalksinterader, die 1952 unter Schutz gestellt wurde: Ein bis zu 40 Zentimeter hoher Kalkrücken, der an der Oberfläche in einer kleinen Rinne Quellwasser führt, zieht sich hier auf 60 Meter Länge über den Waldbobden.

Der Piesting am nächsten

Eine schöne Uferpromenade führt uns nun nach Oed, unmittelbar nach Reichental folgt aber der wohl idyllischste Abschnitt durch die Flusslandschaft der Piesting. Passend zu dieser Szenerie gilt es in der Talenge Quarb über eine an die Schluchtwand gebaute Hangbrücke zu radeln.

Mit Pernitz und seiner Papierfabrik passieren wir das Industrie- und Wirtschaftszentrum des Piestingtales und Ferdinand Raimunds zweite Heimat. Im sogenannten Raimundviertel lässt sich leider nur mehr durch ein Eisengitter und Gestrüpp die ehemalige Raimundvilla erspähen, in der der Dramatiker seine besten Zeiten verbracht haben soll. Raimund selbst wehrte sich gegen den Ausdruck "Villa", sah er darin doch nur ein kleines Landhaus – immerhin eines mit sieben feudal eingerichteten Zimmern samt Nebengebäuden. Die Villa befindet sich heute aber in Privatbesitz und ist nicht mehr zu besichtigen.

Einst Ort der Sommerfrische der Wiener Gesellschaft

Eine kleine Waldpassage und die Blättertalsiedlung lassen wir nun hinter uns und biegen kurz vor der B21 nach rechts ab. Wir rollen am Schloss Hoyos vorbei ins Zentrum von Gutenstein, einst Ort der Sommerfrische für viele Künstler des Biedermeier und der Wiener Gesellschaft. Raimund schätzte die Landschaft, die Gemeinde und ihre Bewohner offensichtlich sehr. Denn nachdem das Tal 1833 überflutet worden war, sammelte er einiges an Geld und verteilte es unter den Betroffenen Gutensteinern. Diese revanchierten sich im Nachhinein, indem sie ihm auf dem Bergfriedhof einen besonders exklusiven Grabplatz zur Verfügung stellten.

Theaterzettel und eine Locke

Im Zentrum von Gutenstein ist auch das Raimundmuseum zu besichtigen: vier Räume, in denen der Dramatiker logierte, bevor er seine Villa bezog. Heute werden dort Theaterzettel, Bilder, Briefe, eine Haarlocke von Raimund und dessen Sterbebett gezeigt. Regina Merkle, eine ehemalige Lehrerin aus Wien, führt durch die Räume und erzählt aus der Biografie Raimunds, dessen Vorfahren hier ein Hotel geführt haben.

"Wie sein Werk war sein Leben: tragisch", sagt Merkle. Damit ist wohl auch seine panische Angst vor Hundebissen und der Tollwut gemeint, der tatsächliche Biss durch einen Hund und der durch ein Unwetter erzwungene Stopp im Pottensteiner Wirtshaus Zum Hirschen auf dem Weg zum Arzt. Hier nahm er sich – im Irrglauben, mit Tollwut infiziert zu sein – 1836 das Leben. (Thomas Rabauske, Album, DER STANDARD, 14.06.2014)