Ich werde Frank Schirrmacher sehr vermissen. Seinen Analysen und Kommentaren zu Internet-Themen konnte ich selten rundweg zustimmen, seiner Verteidigung von Demokratie und Menschenwürde im Netz jedoch immer.

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen er versuchte, mich als digitalen Neo-Liberalen zu brandmarken, doch ich habe ihn dafür bewundert, mit welcher Wucht, aber auch Bescheidenheit er sich bemühte, das Internet und dessen gesellschaftliche Auswirkungen zu verstehen und anderen zu erklären.

Er lernte in aller Öffentlichkeit. Via Twitter hat er später gezeigt, dass er nicht nur eloquent austeilen, sondern gelegentlich auch einstecken konnte, ohne nachtragend zu sein.  Im vergangenen Oktober, als die britische Regierung den Druck auf den Guardian täglich erhöhte, bat ich Frank Schirrmacher um einen eiligen Gastbeitrag im "Guardian".

Es waren die Wochen, in denen wir uns auf die Anhörung unseres Chefredakteurs im britischen Parlament vorbereiten mussten. Frank Schirrmacher reagierte innerhalb weniger Minuten, warmherzig, uneitel. Er sagte sofort seine Termine auf der Frankfurter Buchmesse ab und schickte mir nur zwei Stunden später einen großartigen Text.

Als ich ihn dann im Januar gemeinsam mit Alan Rusbridger in Frankfurt besuchte, nahm er mich kurz beiseite und sagte recht unvermittelt: "Wissen Sie, wir sind gar nicht gegen das Netz". Das hatte ich auch nie geglaubt, ich hätte mir nur manchmal gewünscht, dass er auch die vielen positiven Errungenschaften, die wir dem Internet verdanken, ebenso qualifiziert gewürdigt hätte wie die Schäden, die es anrichtet.

Was er mich lehrte, ist die Wertschätzung für Journalisten, die anderer Meinung sind als ich und ihre Haltung eloquent, ausdauernd, leidenschaftlich und mit großer menschlicher Integrität vertreten, denn er hat nicht nur die Netzdiskussion aus den Technologie-Ressorts in die großen Politik-Ressorts und Feuilletons der Republik getragen, er hat mir auch geholfen, mein eigenes Denken über das Netz zu schärfen. Nach unserer letzten Begegnung im Januar wäre ich gerne sein Freund geworden. Die Zeit hat nicht gereicht. (Wolfgang Blau, derStandard.at, 13.6.2014)