Leo Windtner ist am Fußballplatz ebenso zu Hause wie im Chefsessel des Energieversorgers.

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STANDARD: Was ist einfacher: Präsident des Österreichischen Fußballbundes zu sein oder Generaldirektor eines Energieversorgers?

Windtner: Den ÖFB-Präsidenten zu machen ist derzeit etwas einfacher, es hat sich viel verändert.

STANDARD: Auf dem Fußballplatz zum Besseren, auf dem Feld der Energie zum Schlechteren?

STANDARD: In Stromeuropa finden wir eine Situation vor, wie es sie noch nie gegeben hat. Die Marktverwerfungen übertreffen alles, was die Liberalisierung je an Bedrohung dargestellt hat.

STANDARD: Jetzt kommt noch der Effizienzdruck dazu. Lässt Sie das kalt oder hebt es Ihren Blutdruck?

Windtner: Das Wort Energieeffizienz beseelt mich grundsätzlich positiv. Gerade wir in der Energie AG haben dieses Thema seit vielen Jahren zum Kerninhalt unserer Strategie gemacht. Unsere Vorreiterrolle zeigt sich etwa bei Smart Metering: Rund ein Drittel unserer Kunden sind schon mit intelligenten Stromzählern ausgestattet. Die Ersten nützen die neue Technologie bereits, optimieren ihr Konsumverhalten und lukrieren mithilfe der Zeitzonentarife entsprechende Vorteile.

STANDARD: Sie sind angehalten, Ihren Kunden Jahr für Jahr weniger Strom zu verkaufen. Geht das?

Windtner: Tatsache ist, dass wir Zusatzerträge schaffen müssen, über neue Märkte, über Dienstleistungen. Bei der E-Mobilität beispielsweise werden wir nicht nur den Strom liefern, sondern das gesamte Infrastruktur- und Servicierungsthema zum Geldverdienen nutzen. In unserer Power-Strategie 2020 spielt zudem die Vollintegration der OÖ Ferngas eine Schlüsselrolle. Hier haben wir den letzten großen Synergiehebel.

STANDARD: Eine komplette Umstellung Ihres bisherigen Geschäftsmodells, das darauf beruht hat, möglichst viel Strom abzusetzen?

Windtner: Nicht ein Maximum an Stromabsatz macht unsere Kunden glücklich und fettet unsere Bilanzen auf, nur mit Dienstleistungen gewinnen wir Kunden und können bestehende halten. Das gilt in Zukunft noch viel mehr.

STANDARD: Eigentlich müssten Sie froh sein, dass Ihnen der Stromverkauf erschwert wird, die Preise sind sowieso im Keller.

Windtner: Das kommt uns überhaupt nicht zupass. Die Stromproduktion ist wirtschaftlich nicht mehr darstellbar, außer es handelt sich um alte, abgeschriebene Wasserkraftwerke oder um geförderte erneuerbare Energieträger. Deshalb müssen wir Zusatzerträge erwirtschaften, andernfalls würde die Profitabilität unseres Unternehmens total abstürzen.

STANDARD: Verstehen Sie Haushaltskunden, die sagen, sie spürten nichts von tiefen Strompreisen?

Windtner: Zum Teil ist das nachvollziehbar. Unsere Abgabepreise bewegen sich zwar seit vielen Jahren auf dem gleichen, eher stagnierenden Niveau, Steuern und Abgaben haben sich aber dramatisch erhöht. Und dann kommen noch diverse Zuschläge wie der für Ökostrom. Negatives Beispiel ist Deutschland, wo der EEG-Zuschlag (Erneuerbare-Energien-Gesetz) inzwischen schon höher ist als der eigentliche Strompreis.

STANDARD: Sie haben mit der Vertriebstochter Enamo die VKI-Ausschreibung bei der ersten Stromauktion in Österreich gewonnen und 68.000 neue Kunden bekommen. Verstehen Ihre Stammkunden, dass es neben der Energie AG noch eine Diskonttochter gibt, die den Strom günstiger vertreibt?

Windtner: Mit stromdiskont.at, unserem Internetableger, bieten wir schon seit langem ähnlich günstige Konditionen an. Da konnten sich unsere Stammkunden schon bisher einbringen.

STANDARD: Es hat viel Skepsis gegeben, ob Enamo das schafft.

Windtner: Wir sagen nicht ohne Stolz, dass die Energie AG wahrscheinlich eines der ganz wenigen Unternehmen in Österreich ist, das ein solches Projekt stemmen kann. Wir sind exzellent aufgestellt, was Wechselplattform und Kundenservice betrifft.

STANDARD: Wenn es im Herbst eine Neuauflage der VKI-Auktion gibt, wird sich Enamo erneut beteiligen?

Windtner: Wir sind für den Offensivgeist bekannt und werden den sicher nicht ablegen.

STANDARD: Haben Sie überlegt, Ihr Gas- und Dampfkraftwerk Timelkam einzumotten, wie das der Verbund mit Mellach gerade macht?

Windtner: Wenn sich der Markt über längere Zeit nicht verändert, ist das nicht auszuschließen.

STANDARD: Zurzeit haben Sie eine Vereinbarung mit Deutschland.

Windtner: Wir haben Netzbeistellungen mit Tennet und APG (Austrian Power Grid, Anm.) über gewisse Leistungskontingente vereinbart. Das sind jedoch nur Zusatzeinkommen, die die Kosten in keiner Weise decken.

STANDARD: Wie lange können Sie noch zuwarten und hoffen, dass sich die Situation bessert?

Windtner: Unter den gegebenen Umständen können wir das noch zwei, drei Jahre durchhalten. Sollte sich die Situation dramatisch verschlechtern, wird man früher etwas unternehmen müssen.

STANDARD: Gibt es noch genug Produktionskapazitäten?

Windtner: Wenn der Zug der Kraftwerksschließungen ungebremst weiterfährt, werden wir in wenigen Jahren echte Versorgungssicherheitsprobleme bekommen.

STANDARD: Warum gibt die E-Control dann Entwarnung?

Windtner: Das ist eine populistische Darstellung, fachlich durch nichts untermauert. Wir müssen zusehen, dass die Kapazitäten, die wir dringend brauchen, nicht alle vom Netz gehen. Leistung sollte uns etwas wert sein. (Günther Strobl, DER STANDARD, 12.6.2014)