Aus einem weißen Bus in der indischen Metropole Delhi schallen Schreie einer Frau. Ihr wird offensichtlich Gewalt angetan, mittendrin brüllt eine männliche Stimme. Die Busfenster sind mit blickdichter Folie verklebt, es ist Nacht. Männer, die an dem Fahrzeug vorbeigehen, bleiben kurz stehen, lauschen den Schreien und gehen weiter.

Ein Mann ergreift jedoch die Initiative: Schlussendlich hebt er sogar einen Stein hoch, um die Fensterscheiben einzuwerfen. Dann springt ein Mann dazwischen, zeigt auf die Kamera und brüllt, dass da keine Frau drinnen sei. Es handle sich um "ein soziales Experiment". Die Szene wurde gefilmt.

Auf Gewalt an Frauen aufmerksam machen

Die Macher des Youtube-Kanals "Yesnomaybe" verteilen normalerweise kostenlose Umarmungen auf Indiens Straßen oder spielen Passanten Streiche. Mit ihrem neuesten Video wollen sie allerdings an die Hilfsbereitschaft der Inder im Fall von Gewalt an Frauen appellieren. Den eingreifenden Männern wurde im Nachhinein der leere Bus gezeigt. Nach Angaben der Macher des Videos "schätzten alle die Aktion".

Das Video des "sozialen Experiments" auf Delhis Straßen.
YesNoMaybe

Gericht in Delhi unterstützt "tapfere Frau"

Laut der indischen Regierung wird alle 22 Minuten eine Frau auf dem Subkontinent vergewaltigt, Hilfsorganisationen schätzen die Dunkelziffer noch viel höher ein. Erst am Montag sprach sich Präsident Pranab Mukherjee für eine "Null-Toleranz-Politik bei Gewalt gegen Frauen" aus. Er entnahm das einer Rede, die von der neu gewählten Regierung abgesegnet wurde.

Diese Strategie unterstützt offensichtlich auch ein Gericht in Delhi, das den Einspruch eines Mannes abwies, der eine Frau sexuell belästigt hatte. Die Frau wurde von dem Kläger auf ihrem Heimweg belästigt, hielt ihn fest und schleppte ihn zu einer nahe gelegenen Polizeistation. Dort erstattete sie Anzeige und fragte die Polizisten: "Wenn solche Menschen öffentliche Verkehrsmittel benutzen, sollen Frauen aufhören, in der Nacht zu reisen?" Sie wolle nicht, dass andere Frauen durch diesen Mann dasselbe erleben müssten wie sie.

Das Gericht in Delhi bezeichnete dieses Vorgehen als "den Aufschrei einer normalen indischen Frau", ein Richter bezeichnete sie als "tapfer" und erklärte, dass man ihrer Courage Ehre erweisen sollte. "Sichtbare Verbrechen brauchen sichtbare Aktionen, die rasch und effektiv sind", sagte der Richter der "Times of India". Die Frau habe in Wahrheit die Arbeit der Polizei erledigt. (bbl, derStandard.at, 11.6.2014)