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Somalia, ein erschöpfter Mann liegt vor einem Krankenhaus. Wo sind hier die globalisierten afrikanischen Eliten, die den Kontinent nach vorn bringen werden?

Foto: epa/ANTOINE DE RAS

Dass ein Unternehmensberater die Welt sieht, wie eben ein Unternehmensberater die Welt sieht, ist weder erstaunlich noch verwerflich. Aber es ist korrekturbedürftig. Das Afrika von Hans Stoisser (Entwicklungshilfe: Vom Edelmann zum Partner, DER STANDARD,  5. Juni 2014) sieht so aus: "Eine gebildete und in einer globalisierten Welt aufgewachsene Generation hat die Führungspositionen in Staat und Wirtschaft übernommen." Tatsächlich? Wir hören und lesen über Somalia als "failed state", über Nigeria und Boko Haram, über Massaker in der Zentralafrikanischen Republik, über Simbabwe usw. und staunen über diese Behauptung.

Stoisser proklamiert das Ende der Entwicklungszusammenarbeit, aber die Kritik an ihr wird in Afrika selbst seit Jahrzehnten wesentlich differenzierter geführt. 1993 veröffentlichte Axelle Kabou aus Kamerun Weder arm noch ohnmächtig. Eine Streitschrift gegen schwarze Eliten und weiße Helfer. Da geht es um die anhaltende Selbstinfantilisierung in Afrika, das immer noch dem europäischen Kolonialismus die Schuld zuschiebt an Folterdiktaturen, Bürgerkriegen und korrupten Eliten. Aber die Begriffe "Menschenrechte" und "Korruption" kommen in Stoissers Text über Afrika nicht einmal vor.

Stattdessen heißt es: "Globale Wertschöpfungsketten binden die Länder Afrikas in die Weltwirtschaft ein." Wie das konkret aussieht, hat Jean Ziegler im Vorjahr im Standard beschrieben: "EU- Kommissionspräsident José Barroso (...) hat vor kurzem mit Mosambik die Pachtung von 55.000 Hektar Ackerfläche vereinbart. Diese soll Palmöl und Zucker für die Herstellung von Bioethanol liefern. Einmal mehr geschieht das dort, wo der Hunger unter den afrikanischen Bauern in der Bevölkerung am schlimmsten ist." Ist das die neue Partnerschaft "auf Augenhöhe", die Hans Stoisser meint? Riesige Monokulturen, die die kleinteilige Landwirtschaft zerstören: Ziegler nennt das "strukturelle Gewalt". So macht man Flüchtlinge.

Schöne neue Welt des Neoliberalismus: Ab jetzt hat nicht nur jeder Europäer, sondern angeblich auch jeder Afrikaner - sagen wir: fast jeder - den Marschallstab im Tornister. Er oder sie muss nur etwas aus sich machen. Dazu wäre es allerdings gut, wenn er oder sie lesen und schreiben kann. Es gibt aber leider zu wenig Schulen, und zum Schulbau fehlt das Geld. "Menschen für Menschen" (oder andere Organisationen) finanziert den Bau, und die Bewohner des Dorfes bauen sich ihre Schule selbst. Das ist wirkliche Partnerschaft auf Augenhöhe. Und die wird nach wie vor gebraucht.

Wenn aber diese intelligente, an Nachhaltigkeit und Hilfe zur Selbsthilfe orientierte Entwicklungszusammenarbeit zum Auslaufmodell erklärt wird, dann wird sie auch aufhören, weil das Geld dafür ausbleibt. Dann fällt Afrika vollends und wehrlos in die Globalisierung. Für eine Minderheit, vor allem in den Städten, wird das gut sein, für eine Mehrheit, vor allem auf dem Land, wird es eine Katastrophe sein.

Niemand von uns hat die Wahrheit gepachtet, aber man muss kein Experte für Entwicklungszusammenarbeit oder für Afrika sein, um zu sehen, was offensichtlich ist. (Peter Huemer, DER STANDARD, 11.6.2014)