Bild nicht mehr verfügbar.

Del Bosque predigt den Seinen: "Wir sind keine Taliban." Wenn es sein muss, wird nicht gescheiberlt.

Foto: Reuters

Bild nicht mehr verfügbar.

Diego Costa fühlt sich jeden Tag besser

Foto: Reuters

Spanien peilt die Titelverteidigung an. Dafür ist Trainer Vicente del Bosque auch bereit, den iberischen Spielstil zumindest zu adaptieren. Die Probe aufs Exempel geschieht im Revanchespiel des Finales 2010 gegen die Niederlande am Freitag.

Salvador - Gleich am Anfang die Revanche: Am Freitag begegnen sich in der Gruppe B die Finalisten von Südafrika. Dabei werden die Niederlande hoffentlich unter Beweis stellen wollen, dass sie doch nicht solche Treter sind und schlechte Verlierer, wie vor vier Jahren nicht nur Mark van Bommel oder Nigel de Jong Glauben machen wollten. Aber die ganz besonders.

Den Spaniern war dies damals schon wurscht. Sie wurden - ungerührt scheiberlnd - Weltmeister. Und wollen das in Brasilien - no na ned - wiederholen. Vicente del Bosque, Nationalcoach seit Juli 2008, übt diesbezüglich schon fleißig. Und das Heilige am iberischen Kick ist ihm, dem zum Marqués Geadelten, auch wurscht.

"Wir sind keine Taliban, die dogmatisch an einem Stil hängen", verkündigt er in der Sportzeitung Marca. Das heißt, er will sein Herz nicht an der Zwanziger-Linie vergraben, wo Barcelona sich mit dem Tiqui-taca längst schon breit- und also totgelaufen hat. Zuletzt ließ del Bosque sogar das Gegenteil üben, das hohe Pressing à la Dortmund: Ballerobern, Umschalten, Reinmachen das Ding. "Deshalb arbeiten wir daran, in der Rückeroberung aggressiv zu sein, kompakt zu agieren und Druck zu machen."

Sturmvarianten

Finalisieren soll dieses ballesterische Ruckzuck - hört man - Atléticos gebürtiger Brasilianer Diego Costa. ("Ich habe meine Oberschenkelverletzung auskuriert und bin fit.") Auch der Meister scheiberlt ja nicht, sondern stößt zu. Xavi und Iniesta sollen dabei sekundieren. Als Ersatz für Costa würde David Villa warten. Und den Cesc Fàbregas gibt es auch noch, mit dem würde die Absicht freilich eher wieder ins Überkommene zurückkippen.

Das wäre dann die Sicht von vor einem Jahr. Da meinte der Coach nach der bitteren 0:3-Finalniederlage beim Confed-Cup gegen Brasilien - immerhin die höchste Niederlage seit 28 Jahren - nämlich noch gelassen: "Es gibt überhaupt keinen Grund, das System zu ändern".

Ob es nun tatsächlich was Neues sein wird, das sich der Titelverteidiger da antrainert hat - oder doch eher bloß ein "Tiqui-taca mit Knipser", wie der Kicker es unlängst schrieb -, wird sich am Freitag um 21 Uhr mitteleuropäischer Zeit schon weisen.

Mittel und Zweck

Del Bosques nunmehrige Absage an den ballesterischen Talibanismus - den widereinsichtigen Starrsinn - bezieht sich freilich nur aufs Taktische. Dieses sei also jenes Mittel zum Zweck, der dann schon quasi talibanisch im Auge behalten werden müsse.

Die Spieler, sagen die Spieler, brennen jedenfalls auf die Titelverteidigung, die allerdings ein äußerst seltenes Phänomen ist in der WM-Geschichte. Nimmt man Italien 1934 und 1938 aus - und das zu tun empfiehlt sich aus Gründen der historischen Redlichkeit -, so gelang das erst ein einziges Mal. Brasilien verteidigte seinen schwedischen Titel aus 1958 1962 in Chile mit einem finalen 3:1 über die Tschechoslowakei.

Dem statistischen Rückblick gilt die spanische Sorge aber eh nicht. Egal ob Torhüter Iker Casillas, Abwehrchef Sergio Ramos oder Mittelfeld-Star Andres Iniesta - was das betrifft, sprechen sie allesamt mit einer Stimme. "Wir wollen wieder Weltmeister werden." Und der Feldherr ergänzt: "Wir wollen das Maximum."

Auf europäischer Ebene ist das den Spaniern ja sehr eindrucksvoll schon gelungen. Del Bosque mahnt allerdings auch zum Turnier-Realismus, der besagt, dass ein Schritt nach dem anderen zu setzen ist. Der erste ist der am Freitag. Und der sei schwer genug: "Die Niederlande werden uns sicher Probleme bereiten." Und um die Bäume der spanischen Zuversicht nicht in den Himmel wachsen zu lassen, sagt er auch: "Es wäre normal, wenn wir die WM nicht wieder gewinnen würden. Wir sind nicht der Nabel der Welt." Aber, und das sagt er wohl ganz besonders: "Es ist nicht unmöglich." (sid, red, DER STANDARD, 11.6.2014)