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Mit der Rede von "Post-Gender" können auch Machtverhältnisse ausgeblendet werden.

Foto: apa/HERBERT PFARRHOFER

Immer wieder werden der Piratenpartei Maskulismus, Sexismus und die Unterrepräsentation von Frauen vorgeworfen. Man widme sich zu wenig der Frauenpolitik oder achte zu wenig darauf, dass Frauen in wichtigen Funktionen vertreten sind, lauten etwa Kritikpunkte.

Leonie Maria Tanczer, Doktorandin an der School of Politics, International Studies and Philosophy an der Queen’s University in Belfast, hat sich in einem Beitrag für die Fachzeitschrift "Femina Politica" ("Über diese Feminismus-Sache hinaus: Eine Diskursanalyse des Post-Gender-Begriffs in der Piratenpartei Österreich (PPÖ)") einen Begriff näher angeschaut, der innerhalb der Partei als Rechtfertigung dafür dient, dass Frauenpolitik so stiefkindlich behandelt wird: Post-Gender. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass dieser innerhalb der Partei gänzlich anders verwendet wird als etwa in der Prägung der US-amerikanischen Naturwissenschaftshistorikerin und Biologin Donna Haraway. Diese versucht, so führt Tanczer aus, damit westliche Konstruktionen, darunter die der Zweigeschlechtlichkeit, zu unterlaufen. Während Haraway dies aber aus einer feministischen Grundhaltung heraus tut, enthüllt sich in der PPÖ eine tendenziell antifeministische.

Faktor Geschlecht: Abgehakt

Tanczer bedient sich in ihrer Analyse der sogenannten Diskursiven Psychologie. Vereinfacht gesagt handelt es sich hierbei um eine Diskursanalyse, welche die in Diskursen stattfindende Konstruktion von Realität untersucht. Mithilfe dieser Methode hat sie sich angesehen, wie Mitglieder der PPÖ (von insgesamt 13 waren das vier Frauen und neun Männer, sieben Ehemalige und sechs Aktive) aus dem Raum Wien in Interviews die Grundhaltung der Partei begründen und rechtfertigen.

In der PPÖ wird von einer Gleichheit aller ausgegangen. Post-Gender meint hier, dass Frauenemanzipation und Geschlechtergleichheit bereits erreicht seien, weshalb man sich nicht länger auf den Faktor Geschlecht beziehen müsse. In den Interviews zeigt sich, dass dabei Begriffe wie "Gender" oder "Feminismus" sehr verquer interpretiert werden: "Gender ist quasi immer nur mit Frauen. Post-Gender ist mehr. (…) weil: Post-Gender ist nichts anderes wie die Auflösung der Geschlechterkategorien", sagt etwa eine Frau. "Wenn man hergeht und sagt, dass man die Geschlechterkategorien auflöst, und ich sage nicht mehr Mann/Frau, sondern er (sic, Anm. d. Red.) ist ein Mensch für mich. Damit heben sich sozusagen auch die Probleme damit auf. (sic, Anm. d. Red.)"

Ungleichheit ausgeblendet

Schließlich: "Ich würde sagen, dass wir (...), das sagt ja Österreich auch über sich selber (...), ein Post-Gender-Land sind und wir über diese Feminismus-Sache hinaus sind." In gewisser Weise wird hier das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt. Weil die Probleme nicht mehr benennbar sind, werden sie als inexistent angesehen. Tanczer kommentiert das in ihrer Studie so: "Der Egalitarismusdiskurs ermöglicht deshalb eine Rechtfertigung zur Negierung von Feminismus und frauenfördernden Maßnahmen. Strukturelle Geschlechterungleichheiten werden ausgeblendet."

Die Mitglieder der PPÖ gehen in den Interviews davon aus, dass es keine geschlechtsspezifischen Missstände mehr gebe – und wenn, dass es eher die Männer seien, die benachteiligt würden. Die "Feminismus-Schiene" sei "veraltet", heißt es etwa von einer Frau, und sorge nur dafür, dass Frauen "Sonderrechte" zugestanden würden - was letzten Endes unfair gegenüber den Männern sei. Dafür, dass Gleichberechtigung längst ein Faktum ist, haben die Parteimitglieder schließlich schlagende Beweise: "Ich kenne halt dieses Post-Gender (…)", sagt da etwa eine der Befragten. "Bei uns ist es halt oft so, wenn ich zu Hause bin, dass meine Mutter und ich uns eine Fernsehserie anschauen und mein Vater wäscht ab."

Antifeministischer Backlash

Ein Mann weiß zu diesem Thema beizusteuern: "Ich bin auch in einer Familie aufgewachsen, in der die Frauen dominieren (...). Sie haben immer das Sagen gehabt." Diese und andere Antworten in den Interviews sind für Tanczer "Rechtfertigungsmechanismen, um die Ausblendung von Geschlechterdiskriminierungen sowie die Ablehnung von Feminismus und frauenfördernden Maßnahmen zu begründen". Sie identifiziert sie als sprachliche Strategien; unter anderem werden Beispiele aus anderen Kontexten angeführt, um die eigene Weltsicht zu legitimieren. Des weiteren nennt sie etwa sogenannte "script designs", also die Verwendung von "wir" und den Verweis auf Alltagspraxen, oder die Subjekt-Position, die Redeanspruch einfordert, weil man etwa "aus eigener Erfahrung" als Frau spreche.

Tanczer kommt zu dem Fazit, dass die Konstruktion des Ideals von Post-Gender eine antifeministische sei und gesellschaftliche Machtverhältnisse ausblende. Das Ziel ihrer Studie liegt dabei besonders darin, dass sie nachvollziehbar macht, welche Rhetorik verwendet wird, um dieses antifeministische Klima zu erzeugen. Denn, wie sie am Ende anmerkt: Die PPÖ und ihr Post-Gender seien nur eine Facette eines viel größeren antifeministischen Backlash – sowohl in der Politik, als auch im gesellschaftlichen Diskurs. Tanczer schließt ihre Studie mit den Worten: "Es ist deshalb eine viel breitere Auseinandersetzung mit antifeministischen Tendenzen vonnöten, um gegen dieses Klima vorzugehen." (Andrea Heinz, dieStandard.at, 11. Juni 2014)