Eine Genfer Produktion legt ein Wort für Hamlet ein: Verteidiger Rudolf Mayer beim Plädoyer, daneben Klient Hamlet.

Foto: Nurith Wagner Strauss

Wien - Die Tat selbst steht in der Gerichtsshow Please, Continue (Hamlet) im Wiener Odeon außer Zweifel. Ein bis dahin unbescholtener junger Mann namens Hamlet (Thiemo Strutzenberger) hat Ophelias Vater mit einem Messerstich getötet. Zum Tatzeitpunkt war der erlauchte Prinz alkoholisiert. Er habe im Schlafzimmer der Mutter, mit der er sich auszusprechen wünschte, ein Geräusch gehört. Hinter dem Vorhang soll das Fiepen und Kratzen einer Ratte hörbar geworden sein. Hamlet führte spontan einen heftigen Stoß mit dem Springermesser. Daraufhin kippte Polonius mit durchstochenem Herzbeutel vornüber und verröchelte binnen kurzem.

Das Verhalten des forschen Dänenprinzen, von Shakespeare hinlänglich beschrieben, hat von jeher Rätsel aufgeworfen. Über Schuld oder Unschuld Hamlets haben die Wiener Festwochen nunmehr das Publikum entscheiden lassen. Dem Spruch von acht Zufallsgeschworenen ging im Odeon ein ermüdendes Gerichtsspektakel voraus.

Der in Genf lebende Performancekünstler Yan Duyvendak hat ein Theatermodul gebaut, das sich bequem an jedes lokale Gerichtssystem anschließen lässt. Eine echte Richterin (am 7. Juni: die geradezu aufreizend sachliche Magistra Susanne Lehr) präsidiert einem völlig real anmutenden Prozessgeschehen.

Auf der einen Seite findet eine echte Staatsanwältin Platz neben echten Sachverständigen. Letzteren obliegt die Beurteilung, ob der holde Prinz ganz generell einen an der Waffel hat. Ein Privatbeteiligtenvertreter sitzt dem Verteidiger gegenüber. Dieser hieß am 7. Juni Dr. Rudolf Mayer. Mayer punktete in seiner schmucken Robe mit einer tadellos volkstümlichen Ausdrucksweise.

Was nun den Angeklagten Hamlet selbst anbetrifft, so muss man sein Verhalten während des fingierten Prozesses am ehesten als verstockt bezeichnen. Offenbar halten es Prinzen für unter ihrer Würde stehend, mehr als nur das Notwendigste über sich und ihre Tat auszusagen.

Ein Prinz aus der Vorstadt

Womit man als harmloser Prozessbeobachter bei den Unstimmigkeiten angekommen wäre. Duyvendak, der sein Konzept gemeinsam mit Roger Bernat ausgearbeitet hat, möchte die Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme erweisen. Der Abend Please, Continue (Hamlet) macht nur als Reisetheaterproduktion Sinn. Jede Vorstellung beginnt wieder bei null. Manchmal wird Hamlet ein hübsches Fett aufgebrummt. Andere Schöffengerichte rehabilitieren das Bürschchen mit dem locker sitzenden Messer.

Hört man aber die Zeugenaussage von Mutter Gertrud (Susi Stach), so fechten einen Zweifel an. Liegt Helsingör etwa hinter dem Arbeiterstrandbad? Ist König Claudius - ihm dürfte Hamlets Dolchstoß gegolten haben - vielleicht ein Zuhälter? In Wien kam Hamlet am ersten Abend mit fahrlässiger Tötung davon. Von zehn Monaten sind sieben bedingt. Jetzt wünscht man sich einen echten Hamlet. Dieses gerichtliche Nachspiel war schlicht zu fade. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 10.6.2014)