Bild nicht mehr verfügbar.

Mit einem Paket aus negativen Zinsen für Banken und Geldspritzen hat EZB-Chef Draghi die Finanzmärkte befeuert

Foto: EPA/Dedert

Wien – Die Finanzmärkte laufen von einem Rekord zum nächsten. Wirtschaftlicher Optimismus und ein geldpolitisches Paket der Eu ropäischen Zentralbank vergangene Woche haben am Montag die weltweiten Aktienmärkte gemessen am MSCI World auf einen neuen Höchststand gehoben. Zeitgleich freuen sich Krisenländer wie Italien oder Spanien über die niedrigsten Zinsen ihrer Geschichte. Analysten und Medien preisen EZB-Chef Mario Draghi bereits für die Entwicklung.

"Draghi hat einen massiven Einfluss auf die Märkte gehabt", hat Jim Reid, Stratege von der Deutschen Bank, am Montag in einer Studie geschrieben. Und er ordnet die jüngsten Marktentwicklungen historisch ein. Demnach sind zehnjährige Zinsen für Spanien auf den niedrigsten Stand seit 1789 gefallen, auf unter 2,6 Prozent. In Frankreich sind die Zinsen ebenso auf ihr historisches Tief gesunken. Auf dem Weg zu diesem Jahrhunderttief ist es noch zu einem anderen Phänomen gekommen. Zehnjährige spanische Papiere werfen weniger Rendite ab als vergleichbare US-Anleihen – erstmals seit dem Ausbruch der Schuldenkrise 2010.

Echte Entspannung

Doch die Rekorde bei den Zinssätzen für spanische oder italienische Anleihen sind relativ. Denn nach Abzug der Inflation sind die realen Zinsen in den USA deutlich niedriger als in Spanien oder Italien. Die Finanzierungssituation in den USA, Deutschland oder Österreich ist also real deutlich lockerer als in der krisengeschüttelten Peripherie Europas.

Tatsächlich hat sich die Situation für die spanische Wirtschaft aber zuletzt stabilisiert. Im ersten Quartal sind die Immobilienpreise laut spanischer Statistikbehörde nur noch um 0,3 Prozent gefallen, der niedrigste Rückgang seit 2010. Die Lage hat sich derart entspannt, dass Spanien vorzeitig mit der Rückzahlung von EU-Krediten beginnt, die das Land für die Sanierung maroder Banken von Brüssel erhalten hatte.

Die relativ entspannte Lage in der Eurozone ist mit ein Grund dafür, dass eine Reihe von Aktienmärkten aktuell an Rekordständen kratzen, etwa der FTSE in London oder der Dax in Frankfurt. Der S&P 500 steht nur noch rund 2,5 Prozentpunkte unter der Marke von 2000 Punkten. Vor drei Jahren notierte er zeitweise noch un ter 1200 Zählern.

Gerade in den USA wird der Aktienmarkt von einer neuen Welle des wirtschaftlichen Optimismus unterstützt. Im Mai haben US-Unternehmen erneut mehr als 200.000 neue Stellen geschaffen. Da mit wurden seit Februar wieder 8,8 Millionen Jobs geschaffen, mehr als in der Wirtschaftskrise vernichtet wurden. Noch nie hatten so viele US-Amerikaner einen Job. Die Wirtschaftslage erklärt die hohen Börsenkurse aber nur zum Teil. Denn so positiv ist es nicht, wenn in den USA die Beschäftigung sechs Jahre nicht gestiegen ist – schließlich steigt die Bevölkerungszahl Jahr für Jahr.

Aber Investoren treiben die Kurse mit optimistischen Einschätzungen höher. So hat sich der Fahrdienst Uber von Investoren die rekordverdächtige Summe von 1,2 Mrd. Dollar (880 Mio. Euro) besorgt. Bei der Finanzierungsrunde wurde die Firma trotz der wachsenden Konkurrenz von anderen Anbietern mit rekordverdächtigen 18,2 Mrd. Dollar bewertet.

Die Angst ist verschwunden

Neben Internet-Start-ups gibt es noch andere Anzeichen dafür, dass an der Wall Street Hoffnung wieder en vogue ist. Feindliche Übernahmen sind dank günstiger Kreditkosten mit knapp 300 Milliarden Dollar seit Jahresbeginn auf den höchsten Stand seit 14 Jahren gestiegen, zeigen Daten von Dealogic. Der Volatilitätsindex Vix, gerne auch als Angst-Index der Märkte bezeichnet, ist auf den niedrigsten Stand seit 2007 gefallen. Damit sind Anleger nach den jüngsten Kursgewinnen heute ähnlich sorglos wie vor Ausbruch der Finanzkrise. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 9.6.2014)