Seit langem tritt die österreichische Steuerdiskussion auf der Stelle: weil sich die Zielvorstellungen unterscheiden, eine gesamthafte Sicht fehlt und die Debatte oft wenig faktenbasiert geführt wird.

Die Faktenlage: Nach der in den offiziellen EU-Dokumenten gebräuchlichen Abgrenzung war die österreichische Abgabenquote 2013 mit 43,8 Prozent um zwei Prozentpunkte höher als vor der Krise und wird laut EU-Prognose im Gleichklang mit dem EU-Schnitt bis 2015 leicht sinken. Sie bleibt damit um drei Prozentpunkte über dem EU-Schnitt. Gravierender als die Unterschiede in der Abgabenlast sind jene in der Abgabenstruktur. Abgaben auf die Arbeit steuern knapp 57 Prozent der Gesamtabgaben bei, zehn Prozentpunkte über dem EU-Schnitt. Aus Umweltsteuern kommen hier 5,7 Prozent, in der EU 7,2 Prozent des Abgabenaufkommens.

Vermögensbezogene Steuern tragen 1,2 Prozent zu den Abgabeneinnahmen bei. Im EU-Schnitt ist es das Dreifache - ein großer Anteil stammt aus Grund- und Grunderwerbssteuer, in vielen Ländern leistet die Erbschaftssteuer, in einigen auch die Börsenumsatzsteuer einen Beitrag, während es eine allgemeine Vermögensteuer nur mehr in Spanien und Frankreich gibt. Die Einrechnung der Bankenabgabe - die es in einer Reihe anderer Länder auch gibt - ändert kaum etwas daran, dass Österreich zu den Schlusslichtern gehört.

Entsprechend ungleichgewichtig ist die effektive Belastung der einzelnen Steuerbasen. Vermögensbezogene Steuern belasten die privaten Nettovermögen in Österreich mit weniger als 0,2 Prozent. Die Gesamteinnahmen aus arbeitsbezogenen Abgaben erreichen über 40 Prozent der Bruttolohnsumme, sechs Prozentpunkte über dem EU-Schnitt. Von jedem Euro Brutto-Mehrverdienst eines durchschnittlichen Arbeitnehmers fließt die Hälfte in Form von Lohnsteuer und Sozialbeiträgen die öffentlichen Kassen. Auch aus Arbeitgebersicht sind die Lohnnebenkosten sehr hoch.

In Zahlen: Die Abgaben auf Arbeit erbringen 85 Mrd. Euro, vermögensbezogene Steuern 1,55 Mrd. Euro, einschließlich Bankenabgabe 2,14 Mrd. Euro. Der Kapitalertragsteuersatz auf Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne liegt mit 25 Prozent in etwa auf dem Niveau der alten EU, aus der Besteuerung der Vermögenserträge kommen 2,6 Mrd. Euro.

Gemessen an der Veränderung des Gini-Koeffizienten verteilt das österreichische Abgaben- und Transfersystem auch im internationalen Vergleich sehr stark um: Es reduziert den Gini-Koeffizienten um 44 Prozent. Allerdings erfolgt die Umverteilung primär über das Transfersystem, während das Steuersystem kaum nivellierend wirkt. Berücksichtigt man nicht nur die Einkommensteuer, sondern auch Sozialbeiträge und Verbrauchssteuern, tragen die oberen Einkommen eine nur geringfügig höhere Abgabenlast als die unteren.

Die nun eingesetzte Steuerreformkommission wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie das gesamte Abgabensystem in den Blick nimmt und die grundlegenden Fakten außer Streit stellt. Orientierung für Ziele und Maßnahmen der Steuerreform geben auch die wiederholten Empfehlungen von OECD, IWF und EU-Kommission, untere und mittlere Arbeitseinkommen zu entlasten und dafür Steuern auf Umwelt, Immobilien und Erbschaften zu stärken sowie Ausnahmen abzubauen. Schließlich ist eine enge Zusammenarbeit mit den Kommissionen für Aufgaben- und Strukturreformen unverzichtbar, um nach der Abgabenstrukturreform im ersten Schritt die Voraussetzungen für eine Senkung der Abgabenquote sicherzustellen. (Margit Schratzenstaller, DER STANDARD, 7.6.2014)