Herzstück des Projektes ist der 3000 Quadratmeter große, rein biologisch bewirtschaftete Kräutergarten.

Helga Hanreich mit dem Oswegokraut.

Foto: Tanja Paar

Es duftet nach Minze. Sieben Frauen sitzen in dem großen, hellen Raum um den Arbeitstisch und rebeln vorsichtig die Blätter von den Stängeln. Insgesamt 18 fixe Arbeitsplätze bietet das Frauenprojekt "fairwurzelt" in Neidling (und neuerdings St. Pölten) in Niederösterreich. Vor allem langzeitarbeitslose Frauen und Wiedereinsteigerinnen werden hier bereits seit 1996 auf die Arbeitswelt vorbereitet.

"Neu ist unser Stufenmodell, das den Wiedereinstieg jetzt in vier Schritten ermöglicht", erklärt die stellvertretende Projektleiterin Barbara Seyrl. In einem Clearingprozess von maximal drei Monaten werde der Unterstützungsbedarf geklärt, dann folgt eine stundenweise betreute Beschäftigung von maximal zehn Stunden wöchentlich. Stufe drei ist ein Arbeitstraining von maximal sechs Monaten, gefolgt von einem Transitarbeitsplatz, der ein Dienstverhältnis im Ausmaß von 37 einhalb Stunden von maximal einem Jahr für 1268 Euro brutto monatlich garantiert.

Pizzamischung, rein biologisch

Herzstück des Projektes ist und bleibt der 3000 Quadratmeter große, rein biologisch bewirtschaftete Kräutergarten, in dem auch an diesem sonnigen Frühsommernachmittag die Frauen am Graben, Zupfen und Jäten sind. Die Landschaftspflegerin Helga Hanreich ist hier die Vorarbeiterin. "Hier haben wir die Zitronenmelisse, da die Goldmelisse, deren Blüten wir zum Beispiel für Teemischungen verwenden", erklärt sie. "Da, das Oswegokraut für unsere Pizzamischung ist noch ganz klein – das letzte ist irrtümlich weggejätet worden", fügt sie lachend hinzu: "Das müssen wir jetzt hüten wie unseren Augapfel."

Nicht immer glückt die Hinführung zur Gartenarbeit in gleichem Ausmaß, aber das gehört dazu. Hanreich selbst ist ein Beispiel, dass es gelingen kann. Sie war 2010 Transitmitarbeiterin bei "fairwurzelt". Mit Ende 30 hatte sie genug von der Arbeit in der Gastronomie und wagte gezwungenermaßen eine völlige Umorientierung, erst einmal als Elektroinstallationstechnikerin: "Aber auf der Baustelle, in luftiger Höhe, das war nichts", sagt sie heute. Luftig ist es geblieben, dann aber im Garten. "Das kommt mir sehr gelegen", erklärt sie, "wir hatten einen Bauernhof zu Hause."

Heute, wenn sie in kurzen Hosen und mit erdigen Händen durch die Reihen von Walderdbeeren, Karotten und Pastinaken wirbelt, macht sich das Gefühl breit: da hat eine das ihre gefunden. Auch Marion Figl, 47, die aus dem Druckereigeschäft als Transitarbeiterin bei "fairwurzelt" zur Gartenarbeit gewechselt hat, scheint sehr zufrieden: "Ich bin gern aus Wien aufs Land gezogen", sagt sie. "Es ist schon sehr viel Arbeit, es wird ja alles händisch gemacht, dafür wird kein Gift gespritzt."

Catering und Grünflächenpflege

Die kontrolliert biologischen Kräuter werden zu Tees, Gewürzmischungen, Badesalzen und Chutneys verarbeitet, zweites Standbein des Projektes ist das Cateringangebot "gesunde Jause". Zudem bietet das Frauenprojekt Garten- und Grünflächenpflege für Privatgärten und Firmen an, auch Kindergärten und die Ortsbildpflege gehören zu den Aufgabengebieten.

In der kalten Jahreszeit, so erzählt Seyerl, werden die sorgsam bei 30 Grad getrockneten Kräuter sortiert, verpackt und etikettiert.  Verkauft werden diese ab Hof, auf Märkten und in ausgewählten Geschäften. Zudem findet jedes Jahr ein Frühlings- und ein Weihnachtsmarkt statt.

Seit der Gründung des Projektes waren bereits mehr als 320 Frauen dabei. Finanziert wird "fairwurzelt" aus Mitteln des Arbeitsmarktservice Niederösterreich, des Europäischen Sozialfonds und des Landes Niederösterreich. "Die Erfolgsquote liegt bei mehr als 50 Prozent", so Seyrl, die selbst das Outplacement, also die Unterstützung bei der Jobsuche am Arbeitsmarkt betreut. Erfolgsquote meint in diesem Zusammenhang, dass mehr als die Hälfte der Frauen nach dem Ausscheiden aus dem Projekt nicht arbeitslos gemeldet waren. "Aber es gibt so viele verschiedene Erfolge", fügt sie hinzu. "Wenn jemand 15 Jahre zu Hause war, ist es auch ein Erfolg, endlich wieder in einem Team zu arbeiten. Wenn auch mittelfristig ein Job daraus wird, um so besser." (Tanja Paar, dieStandard.at, 9.6.2014)